Vergangene Woche hat der österreichische Nationalrat mit der nötigen Zweidrittelmehrheit, aber ohne Zustimmung der Freiheitlichen Partei (FPÖ), das neue »Israelitengesetz« beschlossen. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), und sein Vorgänger Ariel Muzicant saßen auf der Besuchergalerie. Erleichterung stand den beiden ins Gesicht geschrieben. Denn zuletzt hatte ein Antrag des liberalen Vereins »Or Chadasch« etwas Unruhe in die Angelegenheit gebracht.
Aufschrei Spurlos ging dieser Aufschrei nicht vorbei: Im zuständigen parlamentarischen Ausschuss waren die Abgeordneten aller fünf Parteien wenige Tage vor der Beschlussfassung übereingekommen, dem Gesetzestext hinzuzufügen, dass alle bestehenden Traditionen angemessen vertreten sein sollen. In der Plenarsitzung nutzte dann der FPÖ-Abgeordnete Walter Rosenkranz die von »Or Chadasch« geäußerte Kritik an dem Gesetzesentwurf, um eine Rückverweisung an den Ausschuss zu fordern.
Doch durch die Beschlussfassung im Nationalrat ist es nun fast vollbracht. Im Mai muss nur noch der Bundesrat seinen Segen dazu geben, was aber als reiner Formalakt gilt.
Das aus dem Jahr 1890 stammende Gesetz, bis jetzt in der novellierten Form aus dem Jahr 1984 gültig, ist völlig neu gestaltet worden. Statt bisher 36 Paragrafen gibt es jetzt nur noch 25. Und inhaltlich erhält die jüdische Gemeinschaft vor allem eines: Autonomie.
Die IKG kann nun selbst bestimmen, wann eine Schule eine konfessionelle ist oder wer auf den Gemeindefriedhöfen begraben wird, deren Auflösung oder Schließung im Übrigen als unzulässig erklärt werden. Festgeschrieben wurde in dem Gesetz auch die finanzielle Unterstützung der jüdischen Gemeinschaft durch die öffentliche Hand mit jährlich 308.000 Euro sowie die Bezahlung von 23 Mitarbeitern der Kultusgemeinden.
Die IKG Wien ist mit rund 7.600 Mitgliedern die bei Weitem größte der fünf derzeit in Österreich bestehenden jüdischen Gemeinden. Ihr Budget beträgt etwas mehr als zwölf Millionen Euro im Jahr. Zwei Drittel davon nimmt die Gemeinde durch die Bewirtschaftung ihrer Immobilien ein.
schächten Nach der Beschlussfassung im Nationalrat tat die IKG-Führung ihre »große Genugtuung« über das neue Gesetz kund. Ein besonderes Anliegen war ihr, das Schächten abzusichern. Und so heißt es nun in dem neuen Gesetz: »Die Israelitische Religionsgesellschaft hat das Recht, in Österreich die Herstellung von Wein, Fleischprodukten und anderen Nahrungsmitteln gemäß ihren innerreligionsgesellschaftlichen Vorschriften zu organisieren.«
Vieles aus dem alten Israelitengesetz hatte nicht mehr der aktuellen Rechtslage entsprochen. So muss ein Rabbiner heute weder österreichischer Staatsbürger sein noch muss der Staat der Anstellung zustimmen. Auch ist nicht mehr festgelegt, dass eine Gemeinde mindestens »30 Familienoberhäupter« als Mitglieder haben muss, sondern »rund 300 Personen«, heißt es in den Erläuterungen zum Gesetz.
Dass die jüdische Gemeinschaft laut Gesetz nun eine »Körperschaft öffentlichen Rechts« ist, könnte in Expertenkreisen noch heftig diskutiert werden. Solch eine Feststellung finde sich nicht einmal im Konkordat der römisch-katholischen Kirche, bemerkte Richard Potz vom Institut für Religions- und Kulturrecht an der Uni Wien. Bisher sei man davon ausgegangen, dass Kirchen und Religionsgesellschaften nur die Stellung derartiger Körperschaften haben, da sie keine Staatsaufgaben zu erfüllen haben.