In Berlin ist am Sonntagabend der Leitungsrat des Jüdischen Weltkongresses (WJC) zusammengekommen. In einem Hotel in der Nähe des Tiergartens tagen bis zum Dienstag rund 150 Spitzenfunktionäre jüdischer Gemeinden und Organisationen aus mehr als 40 Ländern. Sie wollen vor allem über die Lage der Juden in Europa und die Situation in Israel beraten. Es ist das erste Mal, dass der WJC-Leitungsrat in Deutschland tagt.
Solidarität Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, begrüßte die Teilnehmer. Er äußerte sich zufrieden über die Kundgebung gegen Antisemitismus, die wenige Stunden zuvor am Brandenburger Tor stattgefunden hatte. Sie sei eine »Parade der politischen Prominenz« gewesen und habe gezeigt, dass der Geist des Judentums nicht zerstört werden könne, sagte Graumann. »In diesen Tagen wollen wir das Gefühl jüdischer Solidarität teilen. Denn solange wir zusammenhalten, wird es niemandem gelingen, uns anzugreifen.«
Besonders willkommen hieß Graumann an diesem Abend Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der als Gastredner eingeladen war: »Er ist ein Freund des jüdischen Volkes und des Staates Israel. Wir freuen uns, dass er da ist!«
Gastredner In seiner Rede würdigte Steinmeier das Aufblühen jüdischen Lebens in Deutschland und Europa. Dies sei eine große Versöhnungsleistung gewesen, sagte er. »Jüdisches Leben ist zurück in unserem Land, es gehört dazu, es bereichert uns.« Dass sich der WJC-Leitungsrat erstmals in Deutschland trifft, erfülle ihn mit großer Dankbarkeit, sagte Steinmeier. Den Vertretern jüdischen Gemeinden aus aller Welt versicherte er: »Es gibt in Deutschland keinen Platz für Antisemitismus.« Die Großdemonstration vor dem Brandenburger Tor habe dies deutlich gemacht.
Mit Blick auf die Kriege im Irak, in Syrien sowie in der Ukraine mahnte der Außenminister, dass Deutschland, Europa, die USA und Israel zusammenstehen müssten. »Die heutigen Krisen sind zu groß, um von einem einzelnen Land gelöst zu werden«, sagte Steinmeier.
Auch der jüngste Gaza-Konflikt habe gezeigt, wie zerbrechlich die Sicherheit vor allem für die Menschen in Israel sei. Steinmeier betonte in seiner Rede erneut, dass nach seiner Überzeugung nur eine Zwei-Staaten-Lösung Frieden und Sicherheit für Israel bringen und zugleich die Lebensbedingungen für die Menschen im Gaza-Streifen verbessern könne.
WJC-Präsident Ronald S. Lauder lobte den Gastredner: »Ich habe viele Außenminister gehört, meine Damen und Herren! Aber niemand ist wie Herr Steinmeier. Denn was er sagt, das tut er.« Steinmeier sei ein treuer Freund Israels, betonte Lauder und überreichte ihm zum Dank ein silbernes Schofar.
Programm Am heutigen Montag beginnt der WJC mit seiner thematischen Arbeit. Präsident Ronald S. Lauder wird den Leitungsratsmitgliedern Bericht erstatten, danach soll es in einer Podiumsdiskussion um »Ideologie und Identität in einer sich rasch verändernden Welt« gehen. Auf dem Programm steht außerdem eine Diskussion über die jüngsten Entwicklungen in Israel. Für den frühen Abend ist ein Gespräch mit Vizekanzler Sigmar Gabriel geplant. Danach verleiht der WJC bei einer Festveranstaltung im Jüdischen Museum dem Zeitungsverleger Axel Cäsar Springer (1912–1985) posthum den Theodor-Herzl-Preis.
Der Dienstag wird im Zeichen der Erinnerung stehen: Die Teilnehmer besuchen das Haus der Wannsee-Konferenz, die Gedenkstätte Gleis 17 am Bahnhof Grunewald und das Holocaust-Mahnmal am Brandenburger Tor.
Die Rede von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier:
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2014/140914-BM_JWC.html