Erinnerung

Jüdische Prominente, die uns 2022 verließen

Die Schriftstellerin und Holocaust-Überlebenden Inge Deutschkron sel. A. Foto: picture alliance / dpa

In den Zeiten, in denen Rolf Shimon Eden seine größten Erfolge feierte, hatten Titel wie »Berliner Playboy« oder »Lebemann« nichts Anrüchiges. Im Gegenteil. Eden auf diese Rollen oder seine makellosen, weißen Anzüge zu reduzieren, wäre jedoch falsch. Bevor er am 11. August 2022 im Alter von 92 Jahren starb, konnte er auf eine vielgestaltige Karriere zurückblicken.

In den 1950er-Jahren lebte Rolf Eden in Paris, wo er nicht nur als Autoverkäufer, Chauffeur und Kellner tätig war, sondern auch als Musiker und Schauspieler. Im Jahr 1956 kehrte er nach Berlin zurück, wo er 1930 geboren worden war. Kaum war er drei Jahre alt, zog seine Familie mit ihm nach Palästina. Im arabisch-israelischen Krieg kämpfte er an der Seite von Jitzchak Rabin.

Später, in West-Berlin, betrieb er mehrere Clubs und investierte in Immobilien. Er hatte sieben Kinder mit sieben Frauen, was ihm so schnell niemand nachmachen wird. Rolf Shimon Eden gehörte zu jenen Juden, die sich 2022 von der Welt verabschiedeten.

Selbiges gilt für das 1928 in Chemnitz geborene Ausnahmetalent Michael Degen, der am 9. April 2022 in Hamburg starb. Als Schauspieler, mit einer Filmografie, die selbst Hollywoodstars hätte neidisch machen können, war er einer der berühmtesten Juden in der Bundesrepublik. Selbst »Tatort«-Zuschauer kannten sein Gesicht, und dies seit 1977.

Auch auf der Theaterbühne und im Hörspielstudio war Degen zu Hause. Hinzu kam die Literatur. Als Autor veröffentlichte er Bücher wie »Nicht alle waren Mörder: Eine Kindheit in Berlin« und »Mein heiliges Land: Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder«. Mit Michael Degen ging nicht nur ein Künstler von uns, der viel zu bieten und zu sagen hatte, sondern auch ein sympathischer Mensch, den Viele bewunderten.

Gerda Weissmann-Klein, die mehrere Arbeitslager der Nazis, einen Aufenthalt in einem Außenlager des KZs Groß-Rosen und einen Todesmarsch überlebte, starb am 3. April 2022 im Alter von 97 Jahren in Phoenix, Arizona. Ihre Niederschrift der schrecklichen Ereignisse, deren Teil sie während des Krieges war, erschien in den Vereinigten Staaten schon 1957 unter dem Titel »All but My Life«. Die deutsche Version »Nichts als das nackte Leben« folgte 1999, also 42 Jahre später.

Mit Mordechai Papirblat verlor die Welt einen weiteren Holocaustüberlebenden, dessen Familie ins Warschauer Ghetto »umgesiedelt« wurde. Zweieinhalb Jahre lang war Papirblat später in Auschwitz, bevor er von einem Todesmarsch floh und so überlebte. Seine gesamte Familie wurde ermordet. Im Jahr 1996 wurde Papirblats Tagebuch über seine Torturen auf Iwrit veröffentlicht. Erst 2020 kam die deutsche Version »900 Tage in Auschwitz« in den Handel.

Felix Kolmer war im KZ Groß-Rosen inhaftiert, wie Gerda Weissmann-Klein. In Theresienstadt war er zuvor Teil des Widerstandes gegen die Nazis und überlebte seine Inhaftierung in Auschwitz. Nach dem Krieg wurde Kolmer Akustiker an der Technischen Universität in seiner Geburtsstadt Prag, wo er am 5. August 2022 im Alter von 100 Jahren verstarb.

Trude Simonsohn begann 1975, in Schulen, über die Greuel des Nationalsozialismus zu sprechen. Für ihr Engagement erhielt sie mehrere Ehrungen, darunter den Ignatz-Bubis-Preis für Verständigung. Auch sie wurde deportiert und überlebte sowohl Theresienstadt als auch Auschwitz, und auch sie war am Tag der Befreiung im KZ Groß-Rosen. Ab 1955 lebte Trude Simonsohn in Frankfurt, wo sie zeitweise Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde war.

Der Tod von Inge Deutschkron war ein weiterer schwerer Verlust im Jahr 2022. Am 9. März starb sie im Alter von 99 Jahren in Berlin. Während der Nazizeit halfen ihr Unterstützer und Freunde, der Deportation zu entgehen. Von 1946 bis 1954 lebte sie in England, bevor sie nach einer langen Asien-Reise in die Bundesrepublik Deutschland kam und als Journalistin arbeitete.

Ihr Buch »Ich trug den gelben Stern« wurde 1978 veröffentlicht. Aufgrund antiisraelischer Tendenzen, die ihr in der 1968er-Bewegung auffielen, zog sie von 1972 bis 1988 nach Israel. Inge Deutschkron wurde im Jahr 2018 Ehrenbürgerin Berlins.

Hannah Elisabeth Pick-Goslar war eine gute Freundin von Anne Frank, der sie nach ihrer Deportation im KZ Bergen-Belsen noch einmal begegnete. Der größte Teil ihrer Familie wurde von den Nazis ermordet. Lediglich Hannah Pick-Goslar und ihre Schwester überlebten, nach einer 13-tägigen Irrfahrt im Verlorenen Zug. Zwei Jahre nach Kriegsende emigrierte sie nach Palästina. In Jerusalem endete ihr Leben am 28. Oktober 2022. Die gebürtige Berlinerin wurde 93 Jahre alt.

In Israel starb der prominente Rabbiner Chaim Druckmann am 25. Dezember 2022 im Alter von 90 Jahren an den Folgen einer Corona-Infektion. Er war spiritueller Anführer der religiösen zionistischen Bewegung sowie einer der Gründer der israelischen Siedlerbewegung. Eine Räumung von Siedlungen in Judäa und Samaria lehnte er strikt ab. Den Holocaust überlebte Druckmann in einem Versteck in der Ukraine. Im Jahr 2012 wurde ihm der Israel-Preis verliehen.

Die Welt verlor auch Rabbi Dayan Chanoch Ehrentreu, der am 24. November 2022 im Alter von 89 Jahren starb. Während der Novemberpogrome musste er 1938 mit ansehen, wie die Nazis die Synagoge in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main in Brand steckten. Später studierte er in Großbritannien, wo er dann Jahrzehnte lang als Rabbiner tätig war. Im Jahr 2009 wurde Chanoch Ehrentreu Rektor des gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Ronald S. Lauder Foundation eröffneten Rabbinerseminars zu Berlin.

Michael Schneider war ein weiteres Mitglied der jüdischen Gemeinschaft, das im vergangenen Jahr starb. Der Südafrikaner war einer der wenigen Weißen, die am Kampf gegen die Apartheid beteiligt waren. Unter anderem nahm er an Sabotageaktionen gegen das rassistische Regime in Pretoria teil. Diese erfolgten auf Weisung Nelson Mandelas lediglich gegen Objekte, darunter Eisenbahnen. Menschen sollten nicht zu Schaden kommen. Später wurde Michael Schneider Chef des American Jewish Joint Distribution Committee (JDC) und Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses (WJC). Er wurde 82 Jahre alt.

Das Ableben von Rabbiner Henry G. Brandt am 7. Februar 2022 in Zürich ist ebenfalls ein großer Verlust. Von München aus floh er im Alter von 11 Jahren mit seiner Familie über England nach Palästina. Als Offizier diente er im Israelischen Unabhängigkeitskrieg, bevor er in Nordirland Wirtschaftswissenschaften studierte, um dann für Ford zu arbeiten. Zur selben Zeit war er ehrenamtlich für die jüdische Gemeinde von Ilford tätig.

Ab 1957 studierte Henry Brandt am Leo Baeck College in London, wo er 1961 seine Smicha erhielt. Von diesem Zeitpunkt an war er in Zürich, Göteborg, Hannover, Dortmund, Augsburg und Bielefeld als Gemeinde-, Amts- und Landesrabbiner aktiv sowie als Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Rabbiner Henry G. Brandt, der sich für interreligiösen Dialog engagierte, wurde 94 Jahre alt.

Leon Schwarzbaum verstarb ebenfalls im vergangenen Jahr, im Alter von 101 Jahren. Der gebürtige Hamburger mit polnischen Wurzeln wurde nach Auschwitz deportiert, nachdem die Nazis seine gesamte Familie dort ermordet hatten. Auch in den KZs Buchenwald und Sachsenhausen war Schwarzbaum inhaftiert. Er überlebte darüber hinaus zwei Todesmärsche. Später wurde er Exporteur für Antiquitäten und Kunst. Leon Schwarzbaum war bereits sehr alt, als er sich entschloss, von seinem Schicksal im Holocaust zu berichten. Hierzu suchte er Schulen auf und erschien in Dokumentarfilmen, wofür er das Bundesverdienstkreuz erhielt. Leon Schwarzbaum starb am 13. März 2022 in Potsdam.

Am 8. März 2022 starb Rabbiner Nachum Pressman im Alter von nur 50 Jahren in Israel, drei Monate nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte. Kurz nach seiner Geburt in Taschkent kam er mit seiner Familie nach Israel, wo er mit 14 Jahren sein Jeschiwa-Studium in Jerusalem begann. Seine Ordination als Rabbiner erhielt er in New York. In München, Minsk und Potsdam war er später tätig. Gleich sieben Gemeinden betreute er in Brandenburg, wo er auch Landesrabbiner war.

Madeleine Albrights Eltern konvertierten zum Katholizismus und zum Episkopalismus, um der Judenverfolgung in Europa zu entgehen, bevor sie nach Amerika kamen. Die frühere Außenministerin der Vereinigten Staaten von Amerika erfuhr wichtige Teile ihrer Familiengeschichte erst spät, nach ihrer Amtszeit. Sie starb am 23. März 2022 im Alter von 84 Jahren in Washington D.C..

Im soeben zu Ende gegangenen Jahr 2022 starb mit James Caan auch ein Hollywoodstar. Seine Eltern waren jüdische Immigranten aus Bingen am Rhein. Im New Yorker Stadtteil Queens betrieb sein Vater eine koschere Schlachterei. Am 6. Juli endete James Caans Leben.

Barbara Walters arbeitete 65 Jahre lang als Journalistin. Bei ABC, einem der größten Fernsehsender in den Vereinigten Staaten, wurde sie von 1962 an mit wichtigen Nachrichtensendungen wie »Today«, »ABC Evening News«, »20/20« und »The View« eine TV-Ikone. Mit 93 Jahren starb sie am vorletzten Tag des Jahres 2022 in New York.

Am 18. Februar starb Gabriel Bach im Alter von 94 Jahren. Geboren wurde er 1927 in Halberstadt. Als stellvertretender Ankläger im Eichmann-Prozess war er weltweit bekannt.

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