Die Kongressabgeordnete Ilhan Omar ist seit einiger Zeit eines der landesweit am bekanntesten, aber auch umstrittensten Gesichter im US-Repräsentantenhaus. Insbesondere auch mit Blick auf ihr Verhältnis zu Israel und der antisemitischen Boykott-Bewegung BDS.
SQUAD Die 1982 in Somalias Hauptstadt Mogadischu geborene Omar musste im Alter von acht Jahren mit ihrer Familie aus der Heimat fliehen. Nach einem Aufenthalt in Kenia fand die Familie 1995 in den USA Zuflucht. Omar wuchs in Minneapolis, im Bundesstaat Minnesota auf und studierte später Politikwissenschaften in North Dakota.
2015 wurde sie Geschäftsführerin einer Organisation, die sich für Frauenrechte einsetzt. Im August 2018 wurde die Demokratin zum Mitglied des Kongresses von Minnesota und nur wenige Monate später als Repräsentantin des 5. Stimmbezirks des Bundesstaates in Washington gewählt. Im vergangenen November gelang ihr die Wiederwahl.
Damit ist Omar nicht nur die erste Parlamentsabgeordnete somalischer Herkunft, sondern auch eine der ersten muslimischen Frauen, die in das Repräsentantenhaus gewählt wurden. Dort ist sie mit drei Fraktionskolleginnen, darunter die bekannte New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, Teil einer von Donald Trump abfällig als »The Squad« bezeichneten Gruppe dezidiert linker Abgeordneter.
STRAFGERICHTSHOF Diesem Ruf wurde Omar vor einigen Tagen wieder gerecht. Auf ihrem Twitter-Feed postete sie ein Video, in dem sie ihrem Parteifreund, dem amerikanischen Außenminister Antony Blinken, während einer Anhörung im Auswärtigen Ausschuss nahelegte, dass sowohl Israel als auch die Hamas und auch die USA wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) zur Rechenschaft gezogen werden müssten.
In ihrem Tweet schrieb Omar: »Wir müssen den gleichen Maßstab an Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit für alle Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit anlegen. Wir haben unvorstellbare Gräueltaten gesehen, die von den USA, der Hamas, Israel, Afghanistan und den Taliban begangen wurden. Ich habe Minister Blinken gefragt, wo die Leute Gerechtigkeit einfordern können.«
In seiner Replik wies Blinken seine Parteifreundin darauf hin, dass sowohl die USA als auch Israel – beides keine Vertragsparteien des IStGH – sehr wohl in der Lage seien, eventuelle Menschenrechtsverletzungen durch die eigenen Streitkräfte zu untersuchen. »Unsere beiden Demokratien haben diese Fähigkeit, und wir haben das auch bewiesen«, so Blinken. Im Übrigen sei der IStGH nur dann zuständig, wenn der UN-Sicherheitsrat (in dem die USA ein Veto haben) eine Sache nach Den Haag überweise.
Im Nachgang zu ihrem Tweet am Montag sah sich Ilhan Omar dann scharfer Kritik ausgesetzt. Die kam nicht nur vom politischen Gegner, sondern erstmals auch öffentlich aus der eigenen Fraktion.
»Die Vereinigten Staaten und Israel mit der Hamas und den Taliban gleichzusetzen, ist ebenso beleidigend wie fehlgeleitet«, schrieben zwölf jüdische Kongressabgeordnete der Demokraten in einer gemeinsamen Erklärung, die am Mittwochabend öffentlich gemacht wurde.
Und weiter: »Wer die Unterschiede zwischen rechtsstaatlichen Demokratien und verachtenswerten Organisationen, die Terrorismus betreiben, einfach ignoriert, diskreditiert bestenfalls sein Argument, spiegelt aber schlimmstenfalls tief sitzende Vorurteile wider.«
Zwar seien sowohl die USA als auch Israel keine perfekten Demokratien, so Omars Fraktionskollegen. Es sei aber falsch, sie auf eine Ebene mit terroristischen Gruppen zu stellen, so die Unterzeichner. »Wir fordern die Kongressabgeordnete Omar auf, ihre Worte klarzustellen, mit denen sie die USA und Israel in dieselbe Kategorie wie die Hamas und die Taliban einteilt.«
»ISLAMFEINDLICH« Die kurze, aber eindeutige Erklärung wurde von Brad Schneider initiiert, der den Bundesstaat Illinois im Repräsentantenhaus vertritt. Zu den weiteren Unterzeichnern gehörten auch die demokratischen Kongress-Veteranen Debbie Wasserman Schultz (Florida), Jerrold Nadler (New York) und Ted Deutch (Florida).
Die Angegriffene ließ die Kritik nicht lange auf sich sitzen. In einem Tweet am Donnerstag nannte Omar es »beschämend für Kollegen, die mich anrufen, wenn sie meine Unterstützung brauchen, und jetzt eine Erklärung abgeben, in der sie um ›Klarstellung‹ bitten, aber nicht anrufen.«
Omar weiter: »Die islamfeindlichen Elemente in dieser Erklärung sind beleidigend.«
Ein Verfahren vor dem IStGH habe nichts mit Vorurteilen zu tun, schrieb sie. »Die Geschichte hat uns gelehrt, dass die Wahrheit nicht für immer verborgen oder zum Schweigen gebracht werden kann.« Warum die Unterstellung ihrer Parteifreunde, ihre Ansichten zum Nahen Osten seien von Vorurteilen geleitet, islamophob gewesen sein soll, erläuterte Omar allerdings nicht näher.