Bernie Sanders, linker Präsidentschaftsanwärter der Demokraten, spricht von einer »politischen Revolution«, die er in den USA anzetteln möchte. Doch unabhängig davon, ob das etwas wird, beim Thema »Politik und Glaube« hat er schon jetzt einen Umbruch bewirkt: Der 74-jährige Politiker ist jüdisch und nach eigenen Angaben nicht religiös.
Der bislang kaum infrage stehende Grundsatz, ein amerikanischer Präsident müsse angesichts des tief verwurzelten Christentums auch selbst Christ sein oder wenigstens irgendetwas glauben, hat an Kraft verloren – zumindest bei den Demokraten. Denn Bernie Sanders hat die Vorwahlen in New Hampshire für sich entschieden. Damit ist er der erste jüdische Politiker, der jemals eine Vorwahl gewonnen hat. Laut Umfragen hat er in weiteren Staaten gute Chancen gegen Ex-Außenministerin Hillary Clinton.
Es sei »geradezu staunenswert«, dass die Religion von Sanders bislang kein großes Thema sei, sagte der Religionshistoriker Kevin Kruse in der »Washington Post«. Sanders behauptet zwar, er sei stolz darauf, Jude zu sein, doch habe er keine Nähe zur »organisierten Religion«.
Damit liegt er auf der Linie vieler junger Menschen, die sich von Religionsgemeinden distanzieren. Für Sanders begeistern sich besonders Junge, so wie 85 Prozent der unter 30-jährigen Wähler in New Hampshire, wie NBC berichtete.
Spiritualität Der Kandidat redet nicht viel über Persönliches. Im Oktober 2015 sagte Sanders auf die Frage, ob er denn an Gott glaube, seine »Spiritualität« sei, dass »es nicht gut ist, wenn Menschen dem Leid anderer den Rücken zukehren«. Bei einer Wahlveranstaltung in der George-Mason-Universität in Virginia antwortete Sanders auf die Klage einer muslimischen Studentin über islamfeindliche Rhetorik: »Ich bin Jude. Die Familie meines Vaters starb in Konzentrationslagern. Ich werde alles Menschenmögliche tun, um das Schandmal des Rassismus auszumerzen.« Sanders’ Vater Eli immigrierte 1921 aus Polen. Als Kind in einem jüdischen Viertel im New Yorker Stadtteil Brooklyn habe er erfahren, was Geldmangel für eine Familie bedeute, sagte er einmal.
Sanders sei ein »typischer amerikanischer Jude seiner Generation«, kommentierte das jüdische Online-Magazin tabletmag.com: »Die Sanders wollten Mittelklasse-Amerikaner werden, während sie im Schatten des Holocaust lebten.« 2013 habe Bernie Sanders die Heimat seines Vaters besucht, das Dorf Slopnice in den Beskiden im Südosten Polens.
Mit seiner ablehnenden Haltung zur organisierten Religion steht Sanders im amerikanischen Judentum nicht allein da. Etwa ein Fünftel der knapp sechs Millionen Juden in den Vereinigten Staaten seien säkular, ermittelte das Pew-Umfrage-Institut 2013. Politisch tendieren amerikanische Juden stark zur Demokratischen Partei.
Bloomberg Die Vorwahlen gehen im Juni zu Ende, die Präsidentenwahl findet am 8. November statt. Seit mehreren Wochen kursieren Gerüchte, der nicht parteigebundene frühere Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, werde noch kandidieren, weil er unzufrieden sei mit den republikanischen Anwärtern und mit Sanders’ »politischer Revolution«. Auch Bloomberg ist jüdisch – und ebenso wie Sanders offenbar kein ausgesprochen religiöser Mensch.
Die jüdische Zeitung »Forward« schrieb: Bloombergs Laufbahn stehe für den »jüdischen Aufstieg auf der wirtschaftlichen Leiter«. In sozialen Fragen wie Abtreibung sei Bloomberg liberal. Sanders hingegen repräsentiere das linke Engagement des 20. Jahrhunderts, dem sich auch viele amerikanische Juden anschlossen.
Bei den Republikanern wird im Wahlkampf viel vom Glauben und von Gott gesprochen. Evangelikale Christen stellen in manchen Staaten die Hälfte der Wähler. Doch auch bei den Republikanern werden die Karten neu gemischt. 2012 war Mitt Romney republikanischer Präsidentschaftskandidat, kein Protestant, sondern Mormone. Und gegenwärtig liegt laut Umfragen Donald Trump vorn. Er ist das dritte Mal verheiratet, hat Spielkasinos eröffnet – und ist nicht dafür bekannt, dass er sonntags in die Kirche geht. epd