Als die deutschen Feldgendarmen im Morgengrauen des 24. März 1944 in Markowa bei Lancut in den Vorkarpaten vorfuhren, war an Flucht nicht mehr zu denken. »Juden raus!«, brüllten sie und begannen sofort zu schießen. Der Bauer Jozef Ulma und seine Frau Wiktoria versteckten bereits seit 1942 die Familie Goldman in ihrem Haus: Chaim Goldman mit seinen vier Söhnen, zwei Töchtern und einer Enkelin. Im Kugelhagel starben zuerst die acht Goldmans, danach die Ulmas mit ihren sechs Kindern.
Mitte März, kurz vor dem Jahrestag des Massakers, eröffnete Polens Präsident Andrzej Duda das Familie-Ulma-Museum in Markowa. Es ist bereits das zweite Museum in Polen, das den Namen eines »Gerechten unter den Völkern« trägt. Den Titel vergibt die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad
Vashem an Nichtjuden, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben riskierten, um dasjenige von Juden zu retten.
originalschauplätze Kurz nachdem Steven Spielbergs oscarpreisgekrönter Film Schindlers Liste 1994 in die Kinos kam, wollten immer mehr Touristen die Originalschauplätze sehen: die Emaille-Fabrik des Unternehmers, Kazimierz, das alte jüdische Viertel Krakaus, sowie Plaszow, das Konzentrationslager am Stadtrand von Krakau. 2010 wurde die Schindler-Fabrik als Museum wiedereröffnet. Es zeigt jedoch nicht das Leben des NSDAP-Mitglieds Schindler und seine dramatischen Rettungsaktionen von etwa 1200 Juden, sondern das deutsch besetzte Krakau in den Jahren 1939 bis 1945. Schindler ist nur ein kleines Büro und eine Wand mit Emaille-Geschirr gewidmet.
Statt eines (zusätzlichen) Museums für alle »Gerechten unter den Völkern« in Polen wurde in dem großen Fabrikgebäude noch ein Museum für moderne Kunst untergebracht. Dass nun ausgerechnet das Dorf Markowa bei Rzeszow zum Sitz eines Museums für die polnisch-katholischen Judenretter wurde, geht auf Mateusz Szpytma zurück, einen Familienangehörigen der Ulmas. Der Lokalhistoriker forscht seit Jahren zum Massaker in Markowa und allgemein zu den polnischen Gerechten. Neben dem Museum geht auch ein imposantes Denkmal für die Ulmas in Markowa auf seine Initiative zurück.
massengrab An die etwa 120 Juden, die noch 1939 in Markowa lebten, erinnert hingegen kein Denkmal. Die ermordeten Goldmans liegen bis heute in einem Massengrab auf einem Kriegsfriedhof für die ganze Region. Wann und ob überhaupt sie jemals auf dem jüdischen Friedhof von Lancut bestattet werden, ist noch nicht entschieden. Immerhin wurde kurz vor der Museumseröffnung das Blechschild auf dem Massengrab durch einen Grabstein ersetzt, auf dem die Namen der ermordeten Juden eingraviert wurden.
Doch ob sich das multimediale Museum tatsächlich zu einem touristischen Anziehungspunkt entwickeln wird, hat viel mit der »historischen Wahrheit« zu tun, auf die sich Präsident Duda in seiner Eröffnungsrede immer wieder berief. Auch bei seiner Eloge auf die polnisch-katholischen Helden ging beinahe unter, dass das Massaker an den Goldmans und Ulmas von Deutschen und Polen gemeinsam verübt wurde.
mittäter Wlodzimierz Les aus Lancut, der die Ulmas denunziert hatte, gehörte wie die drei anderen polnischen Mittäter der »blauen Polizei« an, die eng mit den Nazis zusammenarbeitete. Les hatte den Goldmans zunächst gegen Bezahlung Schutz gewährt, schließlich ihr Eigentum an sich gerissen und dann die nun mittellose Familie auf die Straße gesetzt. Als diese ihr Eigentum zurückforderte, verriet er sie und die Ulmas an die deutschen Feldgendarmen und beteiligte sich am Massaker in Markowa.
Yehuda Erlich, der die Schoa im Nachbardorf überlebte, beschrieb in seinem Zeitzeugenbericht für Yad Vashem nicht nur den brutalen Mord in Markowa, sondern auch seine entsetzlichen Folgen: »Unter den polnischen Bauern, die Juden versteckten, brach eine ungeheure Panik aus. Am Morgen nach dem Massaker wurden in den Feldern ringsum die Leichen von 24 Juden entdeckt. Die Bauern, die sie 20 Monate lang versteckt hielten, hatten sie ermordet.« Andere Bauern behielten die Nerven und erhöhten die Schutzmaßnahmen.
Historiker Szpytma hingegen ist überzeugt, der Zeitzeuge wie auch Yad Vashem irren sich und der Panik-Mord geschah nicht in Markowa, sondern im Nachbarort. Aus Israel war zur Eröffnungsfeier des Museums weder ein Politiker noch ein Vertreter von Yad Vashem erschienen.