Die französischen Parlamentswahlen haben einen Gewinner hervorgebracht: den politischen Extremismus. Der rechtsradikale Rassemblement National hat die Zahl seiner Sitze in der Assemblée Nationale von acht auf 89 mehr als verzehnfacht. Und die linkspopulistische France Insoumise hat unter dem Deckmantel des Parteienbündnisses NUPES die Zahl ihrer Abgeordneten von 17 auf 72 erhöht.
Angesichts der Tatsache, dass Präsident Emmanuel Macron die absolute Mehrheit verliert, beunruhigt das Erstarken extremistischer Parteien im Parlament, meint Simone Rodan-Benzaquen, Europa-Vorsitzende des American Jewish Committee (AJC).
CORBYN Anfang Juni luden Abgeordnete der France Insoumise Jeremy Corbyn zu einem Wahlkampfauftritt ein. Die jüdische Gemeinde kritisierte die Einladung des ehemaligen Chefs der britischen Labour Party, auch wegen seiner Nähe zu palästinensischen Terrororganisationen. Doch NUPES ging mit der Kritik ähnlich um wie Labour: mit einer Täter-Opfer-Schuldumkehr.
Auch der sozialistische Kandidat Jérôme Guedj, ein Sefarade, tat sich mit der Verurteilung schwer. Zwar sei die Einladung »verantwortungslos« gewesen, doch sie würde lediglich an »politisches Fehlverhalten angrenzen«. Diese Formulierung enttäuschte viele Juden, dennoch konnte sich Guedj in seinem Wahlkreis gegen die neue Umweltministerin Amélie de Montchalin durchsetzen, die nun zurücktreten muss.
»Die Franzosen werden diese Art von Politik nicht lange aushalten.«
Simone Rodan-Benzaquen, Europa-Vorsitzende des AJC
»Die Franzosen werden diese Art von Politik nicht lange aushalten«, sagt Simone Rodan-Benzaquen. Die Auseinandersetzung mit innerparteilichem Antisemitismus sei für jede Partei entscheidend.
GEWALT Zurzeit scheint sich eine bürgerlich-linke Politik zumindest an der Wahlurne nicht auszuzahlen. So verlor der frühere Premier Manuel Valls, der sich für den Erhalt republikanischer Werte innerhalb der Sozialistischen Partei einsetzte, in seinem Wahlkreis bereits im ersten Wahlgang.
Juden in Frankreich erleben immer mehr verbale und physische Gewalt aus der Gesellschaft. Nun wandere der Antisemitismus von der Straße ins Parlament und »institutionalisiere sich«, befürchtet AJC-Chefin Rodan-Benzaquen. Das könnte viele französische Juden zur Auswanderung zwingen.