Nicht nur in Europa, auch in den USA ist der Antisemitismus stark auf dem Vormarsch. Die neusten, am Dienstag von der jüdischen Organisation Anti-Defamation League (ADL) vorgelegten Zahlen belegen das eindrücklich.
Im Jahr 2021 verzeichnete die ADL insgesamt 2717 judenfeindliche Vorfälle in den Vereinigten Staaten – ein Drittel mehr als noch im Vorjahr und die höchste Zahl registrierter Fälle seit Beginn der Erfassung im Jahr 1979.
GEWALT Das Gros der Vorfälle (1776) fiel in die Kategorie antisemitische Belästigung, ein Anstieg um 43 Prozent gegenüber 2020. Auch die registrierte Akte von Vandalismus stiegen um 14 Prozent an. Die ADL listete in ihrem Bericht 88 antisemitische Übergriffe auf – ein dramatischer Anstieg um 167 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt 131 Personen waren davon betroffen. Die einzig gute Nachricht: Im Berichtszeitraum verlief keiner der Angriffe auf Juden oder jüdische Einrichtungen tödlich. Nur in elf Fällen seien Waffen eingesetzt worden, so die ADL.
Der Anstieg der Vorfälle im Mai 2021 fiel mit dem Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen zusammen. In einem einzigen Monat registrierte die ADL 387 antisemitische Vorfälle in Amerika, auch das ein Rekord. Dennoch macht der israelbezogene Antisemitismus nur rund ein Sechstel der verzeichneten Vorfälle aus. Was den Täterkreis angeht, so waren laut ADL 484 judenfeindliche Vorfälle einschlägig bekannten rechtsextremen Gruppen zuzuordnen. Dabei handelte es sich häufig um antisemitische Propaganda im Internet.
Ein weiterer Grund für den starken Anstieg der Zahlen könnte auch die verstärkte Zusammenarbeit der ADL mit jüdischen Organisationen sein, die zu zusätzlichen Meldungen geführt habe, so die Organisation. Hotspots des Judenhasses in Amerika sind neben Kalifornien die östlichen Bundesstaaten wie New York, New Jersey und Florida, in denen auch die meisten amerikanischen Juden leben.
URSACHEN ADL-Geschäftsführer Jonathan Greenblatt sprach von beunruhigenden Zahlen und einem »kritischen Moment im Kampf gegen den Antisemitismus«. Als Ursache für den wachsenden Hass sieht er vor allem die politische Spaltung im Land. Mehr als jeder einzelne Faktor, so Greenblatt, könne die allgemeine Zunahme antisemitischer Vorfälle mit politischer Instabilität und Polarisierung in Verbindung gebracht werden.
»Wenn es um antisemitische Aktivitäten in Amerika geht, kann man nicht auf eine einzelne Ideologie oder ein Glaubenssystem verweisen, und in vielen Fällen kennen wir die Motivation einfach nicht«, erklärte er am Dienstag. »Wir wissen aber, dass Juden hierzulande so viele Antisemitismus erfahren wie seit mehr 40 Jahren nicht mehr, und das ist ein sehr beunruhigender Indikator für enorme gesellschaftliche Verwerfungen.»mth