Frankreich

»Juden denken, ihr Vaterland beschützt sie nicht mehr«

Polizist vor einer Synagoge in Paris Foto: IMAGO/MAXPPP

Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau hat vor dem Fußball-Länderspiel Frankreich-Israel am Donnerstag in Paris »außergewöhnliche« Sicherheitsvorkehrungen angekündigt. Man habe alle zur Verfügung stehenden Reserven mobilisiert, erklärte der Minister am Dienstagabend in der Nachrichtensendung des Senders TF1.

Konkrete Bedrohungen seien zwar nicht bekannt, man sei aber vorbereitet. Auch das RAID, das französische Pendant zur deutschen Sondereinsatzeinheit GSG-9, werde im Stadion sein, um die Durchführung des Spiels zu ermöglichen.

Besitzer von Eintrittskarten würden anhand ihrer Ausweise am Eingang des Stade de France im Pariser Vorort Saint-Denis identifiziert, so Retailleau. Neben uniformierten Polizeikräften würden auch Beamte in Zivil vor Ort sein.

Lesen Sie auch

Darüber hinaus kündigte der Minister an, dass in Paris vor und nach dem Spiel die öffentlichen Verkehrsmittel stärker kontrolliert und der Schutz jüdischer Einrichtungen intensiviert werde. »Es geht nicht an, dass hier auch nur der geringste Zweifel aufkommt. Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, dass sich die dramatischen Ereignisse wiederholen und es zu einer Menschenjagd kommt, wie wir sie in Amsterdam beobachten konnten«, betonte der konservative Politiker.

Eine Verlegung in ein anderes Stadion oder ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder gar die Absage der Nations-League-Begegnung habe aber zu keinem Zeitpunkt im Raum gestanden. »Man hat es mir angeboten. Aber ein Rückzieher kam nicht infrage. Frankreich weicht nicht zurück. Wir werden uns nicht jenen unterwerfen, die Hass verbreiten«, so der Innenminister. Dennoch befürchte er, dass Vorkommnisse wie vergangenen Donnerstag in Amsterdam auch in Frankreich passieren könnten.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Obwohl nur ein Prozent der Franzosen jüdisch seien, richteten sich mehr als 57 Prozent der erfassten rassistischen und religionsfeindliche Vorfälle gegen Juden, sagte er. In der Nationalversammlung hatte Retailleau zuvor aus einer Studie zitiert, wonach vier Fünftel aller französischen Juden aktuell Sorge hätten, Opfer eines antisemitischen Angriffs zu werden. »Sie denken, dass ihr Land, ihr Vaterland, sie nicht mehr beschützen kann.«

Der Chef der französischen Linkspopulisten (LFI), Jean-Luc Mélenchon, sieht dagegen seine Partei als Opfer einer »miesen Stimmung« im Land. »Miese Stimmung ist, wenn der Innenminister, Bruno Retailleau, auf aufmüpfige Parlamentarier losgeht, um sie des Antisemitismus zu bezichtigen«.

Dabei hatte der so Beschuldigte konkret auf einen Post der LFI-Abgeordneten Marie Mesmeur Bezug genommen, die die Auschreitungen in Amsterdam auf X mit den Worten kommentiert hatte: »Diese Leute wurden nicht gelyncht, weil sie Juden waren, sondern weil sie Rassisten sind und einen Völkermord unterstützen«. Retailleau hatte Mesmeur daraufhin bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.

Kritisch äußerte sich er sich bei TF1 hingegen zur Teilnahme des rechtsextremen israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich an einer Gala unter dem Motto »Israel is forever« einer pro-israelischen Organisation in Frankreich. Der umstrittene Politiker soll am Mittwoch per Video zu den Gästen sprechen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Retailleau sagte, es sei richtig gewesen, die Veranstaltung nicht zu verbieten, auch wenn Smotrich nicht sein Fall sei.»Die Justiz hat entschieden. Sie hat unserem Polizeipräfekten Recht gegeben, der diese Veranstaltung nicht verboten hat, ebenso wenig wie andere Veranstaltungen, die sich ihr entgegenstellen, verboten werden sollten.« Man dürfe die Sache der Palästinenser aber auch nicht für wahltaktische Interessen instrumentalisieren, betonte er. Gemeint waren wohl in erster Linie die Parteien des linken Randes.

Obwohl Smotrich selbst nicht nach Paris kommt, soll es am Abend Proteste am Ort der Veranstaltung geben. Die LFI-Fraktionsvorsitzende Mathilde Panot sprach von einer »Gala der Schande« und »Gala der Völkermörder«. Auch die umstrittene Europaabgeordnete Rima Hassan will an der Gegendemonstration teilnehmen. mth

Großbritannien

Lady Berger und Lord Katz

Zwei jüdische Labour-Abgeordnete wurden zu Mitgliedern des Oberhauses ernannt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  29.01.2025

Australien

Sydney: Polizei vereitelt Sprengstoffanschlag auf Synagoge

In Sydney wurde ein mit Powergel beladener Wohnwagen sichergestellt - zu den Hintergründen wird noch ermittelt

 29.01.2025

Berlin

Wie ein Holocaust-Überlebender aus der Ukraine auf Deutschland blickt

Er überlebte den Holocaust - und muss nun erleben, wie seine Heimatstadt Odessa von Russland bombardiert wird. An diesem Mittwoch hat Roman Schwarzman die Chance, im Bundestag einen Appell an den Westen zu richten

von Bernhard Clasen  29.01.2025

Ukraine

Gegen die Gleichgültigkeit

Roman Markovich Shvartsman hat die Schoa und Stalin überlebt. Heute leidet er unter Russlands Krieg gegen die Ukraine. Am Mittwoch spricht er zum Holocaust-Gedenktag im Bundestag

von Stefan Schocher  29.01.2025

Großbritannien

Deutscher wird neuer Chefredakteur des »Jewish Chronicle«

Daniel Schwammenthal (57) soll die Führung der ältesten jüdischen Zeitung der Welt übernehmen

von Michael Thaidigsmann  29.01.2025

New York/Washington D.C.

Ehemann von Kamala Harris arbeitet wieder als Anwalt

Als erster »Second Gentleman« der USA übernahm Doug Emhoff Aufgaben im Weißen Haus, die bis dahin Frauen zugefallen waren. Nun heuert der Jurist wieder bei einer Kanzlei an

 28.01.2025

Gedenken zur Befreiung des KZ Auschwitz

»Beenden Sie das!«

Einer der letzten Überlebenden fordert Staats- und Regierungschef auf, den »Tsunami des Antisemitismus« zu beenden

von Corinna Buschow  27.01.2025

Gesellschaft

Autorin Honigmann kritisiert Bild des Judentums in Europa

Judentum ist nicht das, was Nichtjuden sich vorstellen - darauf macht eine jüdische Autorin aufmerksam. Nach 1945 habe es zu wenig Interesse an den Berichten jüdischer Opfer gegeben, kritisiert sie. Mit einer Ausnahme

von Nicola Trenz  24.01.2025

Medien

Michel Friedman ist neuer Herausgeber des »Aufbau«

Die Zeitschrift »Aufbau« erfindet sich mal wieder neu. Diesmal soll Michel Friedman das 90 Jahre alte Blatt modernisieren. Der Journalist und Autor hat viel vor

von Sophie Albers Ben Chamo  23.01.2025