In den Niederlanden fiebert man in fußballbegeisterten jüdischen Kreisen nicht nur der Weltmeisterschaft entgegen, sondern einem anderen Großereignis: dem Jom Ha Voetbal. Das alljährliche jüdische Fußballturnier findet diesmal am 22. Juni in Amstelveen statt. 65 Teams aller Altersstufen nehmen daran teil; rund 600 Kicker, davon etwa ein Drittel Frauen, treffen in 170 Matches aufeinander. Und dann erst die Zuschauer: Rund 1800 Besucher kamen im vergangenen Jahr.
Seit der ersten Austragung 1980 hat sich das Turnier weit über das Geschehen auf dem Platz hinaus als »geselliger Familiensporttag mit Falafel« etabliert, der »die jüdische Gemeinschaft zusammenbringt«, so die Selbstbezeichnung auf der Website. Willkommen sind alle – von den Großeltern bis zu den Enkeln. Die können sich seit einigen Jahren bei einem speziellen Kinderprogramm austoben.
familientreffen Man ahnt bereits, dass der Fußball an diesem Tag nicht wirklich das Wichtigste ist. Mitorganisator Maurice De Hond, ein ehemaliger Profischiedsrichter, heute im ganzen Land bekannt als Meinungsforscher, spricht ironisch vom »Turnier mit dem höchsten Prozentsatz an Zuschauern, die mit dem Rücken zum Spielfeld stehen«. Vor knapp 30 Jahren übernahm De Hond die Organisation zusammen mit Philippe Rubens. Der beschreibt Jom Ha Voetbal als »großes Freiluftfamilientreffen«.
Vor allem die Atmosphäre ist es, die neben den niederländischen Teilnehmern auch Teams aus Großbritannien, Belgien, Frankreich und Deutschland anzieht. Die London Lions waren schon vertreten, Aushängeschild des jüdischen Fußballs in England, Hendon United, ein bekanntes Team aus Londons jüdischer Amateurliga, diverse Maccabi-Mannschaften oder Freundesgruppen mit Namen wie »Circumcisers«. Philippe Rubens betont, die Kicker müssten nicht halachisch jüdisch sein: »Das Turnier ist für Juden und ihre Angehörigen.«
Für Rubens steht Jom Ha Voetbal zudem in der Tradition des Buches The Chosen von Chaim Potok, das von der schwierigen, aber intensiven Freundschaft eines orthodoxen Jungen mit einem gleichaltrigen Liberalen in New York handelt. »Die Community ist so gespalten. Die Leute sehnen sich nach etwas Verbindendem«, fasst er seine Eindrücke zusammen.
Tefillin So konnte man in den vergangenen Jahren sehen, wie am Spielfeldrand ein orthodoxer Rabbiner Tefillin legte, während sich daneben die Kicker der liberalen Gemeinde aufwärmten. »Dieser Tag zeigt, was jüdische Einigkeit sein kann«, sagte 2013 der Spieler Jon Jacobs vom Londoner Team Redbridge Jewish Care.
In diesem Jahr gibt es nun erstmals eine Kategorie »Ü 40«, um dem sportfernen Alltag dieser reiferen Teilnehmer Tribut zu zollen. Unabhängig vom Alter wird wohl am Ende wieder ein Fazit wie das von Danny Springer stehen, der 2013 ein Team aus Den Haag coachte: »Es war wieder gewaltig. Obwohl wir alle Matches auf furchtbare Weise verloren haben, hatten wir sehr viel Spaß zusammen – sowohl als Spieler als auch als Zuschauer.«