Herr Stern, Medien berichteten in der vergangenen Woche, die jüdische Gemeinde Österreichs wolle ihre Beziehungen zur FPÖ »normalisieren«, dann folgte das Dementi. Wie ist das zu verstehen?
Das eine sind Gerüchte, das andere ist Realität. Ich weiß, dass die Israelitische Kultusgemeinde Wien nicht mit der FPÖ zusammenkommt, und ich hoffe, dass es auch in Zukunft dabei bleiben wird. Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass ein Dialog oder eine Kooperation mit rechtspopulistischen Parteien für uns Juden nicht gut ist. Wir sollten dies auf jeden Fall vermeiden.
Würde es die Situation ändern, wenn FPÖ-Kandidat Norbert Hofer Bundespräsident wäre?
Dies ist eine Frage, die wir uns bereits gestellt haben und auf die wir keine Antwort geben können. Wir können dem Gemeindevorstand nicht raten, sich nicht in der Wiener Hofburg sehen zu lassen. Doch der Bundespräsident hat ja eher repräsentative Aufgaben. Ihn in den Jahren seiner Amtszeit nicht zu sehen, wäre auch nicht so tragisch.
Es gibt jüdische Funktionäre sowohl in der FPÖ als auch in der AfD. Wie bewerten Sie diesen Umstand?
Opportunisten gibt es überall, jüdische und nichtjüdische. Wenn jemand glaubt, in diesen Parteien Karriere machen zu müssen, ist das seine Sache. Aber diese Leute repräsentieren als Juden nicht die jüdische Gemeinschaft.
Rechtspopulisten freuen sich in vielen Ländern Europas über Zulauf. Darf man den Wählerwillen außer Acht lassen?
Ich glaube schon. Wir müssen uns von solchen Parteien fernhalten, egal ob sie demokratisch gewählt sind oder nicht. Wir sollten höflich sein und bleiben, aber keine Nähe zu ihnen pflegen.
Europas Rechtspopulisten demonstrieren gerne ihre Nähe zu Israel. Warum?
Weil es für eine rechte Partei immer schick ist, zu zeigen, dass man für Israel ist. Aber viele Ideen dieser Parteien sind nicht mit unseren Grundwerten vereinbar. Sie glauben, so einen besseren Zugang zu den jüdischen Gemeinden bekommen oder ihr Image aufbessern zu können. Aber das ist nicht wirklich glaubwürdig.
Rechtspopulisten positionieren sich derzeit gegen den, wie sie es nennen, politischen Islam. Glauben Sie, dass das Judentum das nächste Feindbild werden könnte?
Absolut, das glaube ich schon. Das sieht man doch schon daran, dass die Rechtspopulisten in einigen Ländern Europas gegen elementare Grundregeln des Islam und des Judentums vorgehen, wie beispielsweise das Schächten und die Beschneidung.
Gibt es zum Umgang mit Rechtspopulisten eine einheitliche europäisch-jüdische Linie?
Ich versuche, diese Debatte zu führen. Doch jede jüdische Gemeinschaft ist unabhängig, und wir wollen und können weder Anweisungen noch Ratschläge erteilen.
Mit dem stellvertretenden Geschäftsführer des World Jewish Congress sprach Detlef David Kauschke.