Hörbuch

Jahrgang 1934

Der eine ist klein, ruhig und eher zurück-haltend. Der andere groß, mit kräftiger Stimme und ausholender Gestik. Thomas Buergenthal und Uwe Friedrichsen könnten unterschiedlicher nicht sein. Gemeinsam ist ihnen nur ihr Geburtsjahr und -monat: Beide kamen im Mai 1934 zur Welt, Buergenthal am 11., Friedrichsen am 27. Doch ihre Kindheit und Jugend verlief so gegensätzlich, wie man es sich nur vorstellen kann. Der Jude Thomas Buergenthal überlebte als Kind zwei Konzentrationslager. Uwe Friedrichsen war, wie praktisch alle seine »arischen« Altersgenossen, Mitglied bei der Hitlerjugend.

Thomas Buergenthal, der heute als amerikanischer Richter am internationalen Gerichtshof in Den Haag amtiert, hat seine Erinnerungen an eine Kindheit in KZs in dem Buch Ein Glückskind niedergeschrieben. »Ich wusste, dass ich meine Biografie irgendwann verfassen musste, nur die Zeit fehlte mir.« Als er 71 wurde, sagte er sich »Jetzt oder nie«. Das Buch erschien im März 2007. Ein Jahr später wird es in einem Berliner Tonstudio als Hörbuch produziert. Uwe Friedrichsen ist der Sprecher, Buergenthal selbst liest den Epilog.

Arbeitstage Es ist nicht das erste Mal, dass sich die beiden begegnen. Sie waren gemeinsam im April 2007 Gäste in der ZDF-Talkshow von Johannes B. Kerner und fanden sich auf Anhieb sympathisch. »Es war ein Bündnis, das ganz oben geschmiedet wurde«, erinnert Buergenthal sich. Jetzt, fast ein Jahr danach, sehen sie sich zwischen Aufnahmegeräten und Manuskript wieder. Buergenthal ist im Anzug, er muss heute noch zurück nach Den Haag. Friedrichsen trägt leger Hemd und Strickjacke. Er wird drei Arbeitstage brauchen, den Text einzusprechen. »Ich war von der Idee, gerade dieses Buch einzusprechen, hingerissen«, sagt Friedrichsen. »Es hat mich sehr berührt.« Profi, der er ist, hat er es natürlich mehrmals gelesen. Trotzdem bleibt ihm bei der Aufnahme mitunter die kräftige Stimme weg, wenn er Passagen liest, in denen Kinder im KZ umkommen. Dann muss Uwe Friedrichsen neu ansetzen.

»Es ist mir wichtig, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. So habe ich auch meine Tochter erzogen«, sagt der Schauspieler. Er wird leidenschaftlich und schaut mit großen Augen durch die leicht getönte Brille. »Ich habe ihr meine Biografie als Hitlerjunge im Dritten Reich erzählt. Auf diese Weise habe ich mich selbst damit auseinandergesetzt.«
Auch Thomas Buergenthal hat Kinder. Als sie noch jünger waren, haben sie ihn manchmal beim Abendessen gefragt, wie sein Leben als Jude in Nazideutschland war. Aber nicht wirklich oft. »Sie sind Amerikaner«, sagt Buergenthal fast entschuldigend und zuckt mit den Schultern. »Heute Jude in Amerika zu sein ist normal.«

Uwe Friedrichsen muss ins Aufnahmestudio. An einem kleinen Tisch mit einer Leselampe liegt das Manuskript des Buchs. Friedrichsen hat die Stellen markiert, bei denen er die Stimme heben oder senken muss. Von außen lächelt ihm Thomas Buergenthal zu. Er weiß seine Geschichte in guten Händen.

Thomas Buergenthal: »Ein Glückskind« gelesen von Uwe Friedrichsen
Patmos, Juni 2008. 5 CDs, 400 Minuten, 29,95 €

Das Buch ist im S. Fischer Verlag Frankfurt/Main erschienen.

USA

Loyal und radikal

Der künftige Präsident Donald Trump vergibt wichtige Ministerposten an Personen, die bislang nicht durch Kompetenz aufgefallen sind, sondern eher durch Kontroversen von sich reden machten

von Michael Thaidigsmann  21.11.2024

Nachruf

Der Vater des Budget-Tourismus ist tot

Arthur Frommer wurde 95 Jahre alt

von Imanuel Marcus  20.11.2024

New York/Malibu

»Mein Name ist Barbra«

Die Streisand-Autobiografie erscheint auf Deutsch

von Christina Horsten  20.11.2024

Schweiz

Konservative Christen gegen den ESC

Eine Minipartei erwirkt ein Referendum gegen das hohe Rahmenbudget für den Eurovision Song Contest. Dabei geht es auch um Israel

von Peter Bollag  19.11.2024

Italien

Schoa-Überlebende rügt Papst für Genozid-Kommentar

Edith Bruck ist 93 Jahre alt und mit Papst Franziskus befreundet. Jetzt hat sie ihn aber mit deutlichen Worten kritisiert

 19.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Tschechien

Oscar-reifer Held am Mikrofon

»Wellen« feiert den KZ-Überlebenden Milan Weiner, der 1968 die Sowjets in Schach hält

von Kilian Kirchgeßner  17.11.2024

USA

Impfgegner, Verschwörungstheoretiker, Gesundheitsminister

Donald Trump beruft mit Robert F. Kennedy einen Mann als Gesundheitsminister, der auch durch antisemitische Verschwörungstheorien von sich reden macht

von Michael Thaidigsmann  15.11.2024

Imanuels Interpreten (1)

Flora Purim: Das Unikum

Die in Rio de Janeiro geborene Sängerin liefert eine einzigartige Melange der Klänge

von Imanuel Marcus  15.11.2024