Seit dem 7. Oktober bricht sich antisemitischer Hass auch an vielen Bildungseinrichtungen in Amerika Bahn. Auch die Elite-Universitäten der sogenannten Ivy League sind davon nicht verschont geblieben - im Gegenteil: Gerade von dort wurden zuletzt zahlreiche Vorfälle von Einschüchterung vermeldet, darunter auch körperliche Gewalt gegen jüdische Studierende. Mehrfach wurden Plakate mit den Konterfeis der von der Hamas entführten Geiseln heruntergerissen, Hörsäle besetzt und israelfeindliche Veranstaltungen abgehalten.
Das Bildungsministerium in Washington hat wegen antisemitischer und auch muslimfeindlicher Vorfälle Ermittlungen eingeleitet. Betroffen sind unter anderem die renommierten Universitäten Harvard, Columbia und Cornell.
Am Dienstag hatte die Vorsitzende des Bildungsausschusses des US-Repräsentantenhauses, Virginia Foxx, die Präsidentinnen dreier Elite-Colleges und weitere Expertinnen zu einer Anhörung geladen.
»Das kann sein, das kommt auf den Kontext an«
Wer jedoch klare Antworten erhofft hatte, wurde enttäuscht. Harvard-Präsidentin Claudine Gay wurde etwa gefragt, ob der Aufruf zum Genozid an Juden eine Form von Belästigung und Mobbing sei und damit gegen den Verhaltenskodex an ihrer Universität verstoße. Ihre kryptische Antwort: »Das kann sein, das kommt auf den Kontext an.«
Auch nach hartnäckigem Nachbohren der Republikanerin Elisa Stefanik ließ Gay sich nicht zu einem klaren Ja oder Nein bewegen. Sicher, hasserfüllte, rücksichtslose und beleidigende Äußerungen seien ihr persönlich zuwider, betonte sie. Aber sie seien vom Recht auf Redefreiheit gedeckt. Entscheidend sei, wann derartige Äußerungen in ein »Verhalten« übergingen, das gegen die Universitätsrichtlinien verstoße und sanktioniert werden könne.
Was sie denn außer warmen Worten konkret getan habe, wurde Gay von einer anderen Abgeordneten gefragt. Gays Antwort fiel eher dünn aus. Vielleicht auch, weil sich die überwiegend republikanischen Fragesteller ihre Antworten bereits parat hatten und den Uni-Chefinnen zum Teil rüde ins Wort fielen, bevor diese ausführlich antworten konnten. Auch das Drängen auf Ja- oder Nein-Antworten sorgte für eine eher aufgeheizte Stimmung im Sitzungssaal.
Ob ein Neo-Nazi in Harvard studieren könne oder eine Person, die das jüdische Volk oder den Staat Israel auslöschen wolle, fragte der Abgeordnete Kiley Universitäts-Präsidentin Gay. Solche Ansichten und auch Antisemitismus stünden nicht im Einklang mit den Werten von Harvard, antwortete die Präsidentin ausweichend.
Uni-Präsidentinnen blieben vage
Gays Kolleginnen, Elizabeth Magill von der University of Pennsylvania (Penn) und Sally Kornbluth vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), wurden ebenfalls ins Kreuzverhör genommen. Auch sie vermieden allzu eindeutige Antworten. Ob es daran lag, dass sie unter Eid aussagen mussten, wie das bei allen Anhörungen im Kongress üblich ist? Oder weil Juristen ihnen geraten hatten, möglichst unkonkret zu bleiben?
Kornbluth (die selbst jüdisch ist) erklärte, man nehme Vorwürfe sehr ernst. Problematische Äußerungen müsse man aber in erster Linie mit Gegenrede bekämpfen - auch wenn der Schutz der freien Meinungsäußerung am MIT nicht für Belästigung oder Aufstachelung zur Gewalt gelte.
Penn-Chefin Magill sprach zwar über ihren Aktionsplan zum Kampf gegen Antisemitismus auf dem Campus, welcher nicht nur Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch andere Bemühungen beinhalte und betonte, wie eng man mit Polizei und Staatsanwaltschaften kooperiere. »Wir müssen das richtig machen. Es steht zu viel auf dem Spiel. Die Penn wäre nicht das, was sie ist, ohne ihre starke jüdische Gemeinschaft.«
Sie sei »am Boden zerstört«, als sie von einem offenbar antisemitisch motivierten Angriff auf einen Penn-Studenten gehört habe, beteuerte Magill, und fügte hinzu, dass die Sicherheit der Studenten ihr »größtes Anliegen« sei.
Doch so leicht entkam die renommierte Verfassungsrechtlerin den kritischen Nachfragen der Ausschussmitglieder nicht. Ob sie denn in Betracht gezogen habe, auf ihrem Uni-Gelände geplante Veranstaltungen, bei denen antisemitische Äußerungen zu erwarten waren, zu untersagen, wollte ein Abgeordneter wissen. Nein, antwortete Magill, eine Zensur über sie nicht aus und wolle sie auch gar nicht ausüben, schon gar nicht im Vorhinein. Das gelte auch dann, wenn Antisemitismus zu erwarten sei. Sicherheitsfragen habe man dagegen durchaus im Blick; sie habe sich hierzu mit ihren Experten abgestimmt.
Verantwortliche scheinen überfordert
In den USA sind die sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Versammlungsfreiheit sehr weit gefasst. Sie dürfen laut dem ersten Verfassungszusatz (First Amendment) nicht gesetzlich eingeschränkt werden. Inwiefern jedoch Universitäten auch Kundgebungen tolerieren müssen, durch die sich Angehörige von Minderheiten eingeschüchtert oder gar bedroht sehen, ist umstritten.
Eine republikanische Abgeordnete wollte wissen, ob denn ein Zusammenhang bestünde zwischen Spenden aus Ländern des Nahen Ostens und einer Zunahme antisemitischer Vorfälle an den Universitäten. Das hatte eine Studie vor Kurzem suggeriert. Magill wurde gefragt, ob ihr bekannt sei, dass Katar zwischen 2013 und 2019 fast 300 Millionen Dollar an ihre Institution gespendet habe. Eine solche Zahl sei ihr nicht bekannt, aber das Geld, soviel könne sie versichern, komme sicher nicht von der katarischen Regierung. Und Bedingungen lasse man sich sowieso von niemandem diktieren.
Die Penn-Präsidentin versprach, die genaue Zahl der Spendeneinnahmen nachzureichen. Aber ihre unsichere Antwort verfestigte den Eindruck, dass das Ausmaß des Problems entweder bewusst nicht offengelegt wird oder die Verantwortlichen damit überfordert sind. Nicht nur das mediale Echo auf die Anhörung war entsprechend verheerend. Ob sich die drei Frauen an der Spitze der traditionsreichen Universitäten mit ihrer vorsichtigen Art einen Gefallen getan haben, darf bezweifelt werden. Die Kritik an ihnen dürfte nun noch größer werden.