Pinchas Goldschmidt ist zufrieden. Der Moskauer Oberrabbiner und Chef der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER) setzt sich seit Jahren dafür ein, dass jüdische Männer, die ihrer Frau den Scheidungsbrief (»Get«) verweigern, strafrechtlich belangt werden.
TESTLAUF Am Dienstag verabschiedete das israelische Parlament, die Knesset, nämlich ein nunmehr unbefristet geltendes Gesetz, das es rabbinischen Gerichten in Israel ermöglicht, in Fällen einer Verweigerung von Scheidungen durch männliche Ehepartner einzugreifen und Letztere zu sanktionieren.
»Das ist ein besonderer Moment in der Geschichte der CER, die sich auf eine progressive Weise mit einem vorhandenen Problem von Frauen befasst hat«, erklärte Goldschmidt am Mittwoch. Ursprünglich war das Gesetz als Provisorium verabschiedet worden, um seine Wirksamkeit zu testen. Der Testlauf war offenbar erfolgreich.
Ziel des Gesetzes ist es, gerade nichtisraelischen Frauen zu helfen, wenn deren bereits getrennt von ihnen und sogar zum Teil wiederverheiratete Ex-Männer sich weigern, in die jüdische Ehescheidung einzuwilligen. Häufig sind diese Frauen wegen fehlender rabbinischer Gerichte und einer eindeutigen Rechtssprechung der staatlichen Gerichte in ihrem Heimatland nicht in der Lage, wirksam gegen ihren Ex-Gatten vorzugehen.
AGUNA Gemäß der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz, muss ein jüdischer Mann im Falle der endgültigen Trennung seiner bisherigen Frau einen »Get« gewähren, bevor die Scheidung auch für die Frau wirksam wird. Verweigert er das, wird die Betroffene zu einer »Aguna«, wörtlich übersetzt: zu einer in Ketten gelegten Frau. Nach orthodoxer Auslegung des jüdischen Religionsgesetzes darf eine Aguna nicht erneut heiraten.
Zuvor konnten zwar israelische Staatsbürger von rabbinischen Gerichten belangt werden, nicht aber andere jüdische Männer. Nun drohen den Verweigerern des Scheidungsbriefs bei Einreise nach Israel empfindliche Sanktionen.
Im vergangenen Jahr sagte Goldschmidt dieser Zeitung, das Problem habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar deutlich entschärft, sei aber nach wie vor aktuell. Der Oberrabbiner schätzte damals, dass rund 130 bis 200 Agunot in Europa betroffen seien. mth