Es sind Töne, wie sie in der Schweiz bisher nicht an der Tagesordnung waren: »Wir müssen die Juden ausrotten« oder »Ich wünsche mir, dass Hitler zurückkehrt und weitermacht«. Diese Wortmeldungen müssen Vertreter des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) in E-Mails und in sozialen Netzwerken zur Kenntnis nehmen – zu Dutzenden, ja Hunderten.
Zürich Im Vorfeld einer Pro-Palästina-Demonstration in Zürich forderten kürzlich einige des Deutschen offenbar nur teilweise mächtigen Sympathisanten, der Protest solle nicht wie angekündigt in der Innenstadt, sondern »im Juden Virtel« stattfinden, wo man »einmashieren und den Juden die Fresse polieren« könne. Die Demo selbst verlief dann – unter massivem Polizeiaufgebot – relativ friedlich, allerdings hinterließen einige Teilnehmer antisemitische und anti-israelische Graffiti. Ähnlich war es einige Tage später bei einer Demo in Lausanne.
All dies trieb SIG-Präsident Herbert Winter, der sich mit Stellungnahmen zum Nahostkonflikt sonst eher zurückhält, in die Öffentlichkeit. Solche »Ausdrücke des Hasses und Aufforderungen zur Gewalt gegen Juden in der Schweiz« habe es vorher nicht gegeben, erklärte er. Der Staat sei jetzt aufgerufen, zu handeln: »Er muss mehr machen, um Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen«, sagte Winter.
Wien Vielen Beobachtern bereitet Sorge, dass die aggressivsten judenfeindlichen Vorstöße häufig von jungen Menschen mit Migrationshintergrund kommen: aus Bosnien, dem Kosovo oder der Türkei. Ähnliches ist ebenso in Österreich festzustellen. Auch hier, so sagt Raimund Fastenbauer, Geschäftsführer der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, kämen die heftigsten Proteste gegen Israel aus der »Ecke der Zuwanderer«. Aber es sei »immerhin ein Trost«, so Fastenbauer, »dass die österreichische Öffentlichkeit und auch die Politik das im jetzigen Gaza-Konflikt, im Gegensatz zu früher, auch so zur Kenntnis nimmt«.
Spätestens seit den Attacken türkischstämmiger Migranten beim Fußballspiel von Maccabi Haifa gegen den französischen Verein OSC Lille in Bischofshofen vergangene Woche rückte das Thema auch in Österreich ins Zentrum des Interesses. Bei einer großen Pro-Palästina-Demonstration vor zwei Wochen in Wien sei es zwar mehrheitlich friedlich geblieben, berichtet Raimund Fastenbauer. Doch wie in vielen anderen Städten auch kam es im Umfeld zu antisemitischen Angriffen und Beschimpfungen. So wurde bei einer Anti-Israel-Kundgebung in Innsbruck eine Frau, die eine Israel-Fahne mit sich trug, von Demonstranten verletzt und die Fahne verbrannt.
Flashmob Die jüdische Gemeinschaft im Land zeigt sich nicht gewillt, das alles hinzunehmen: In der Wiener Innenstadt organisierten Jugendliche einen Flashmob, bei dem sie mit mitgebrachten Sirenen einen Raketenalarm simulierten, wie ihn Israelis seit Wochen hinnehmen müssen – eine Aktion, die durchaus Beachtung fand. Und die IKG organisierte im Anschluss an den Erew-Schabbat-Gottesdienst eine Solidaritätskundgebung.