Herr Botmann, Sie sind mit einer Delegation der J7 in Buenos Aires, um am 30. Jahrestag der Opfer des Anschlags auf das Gemeindezentrum AMIA zu gedenken. Was bedeutet es Ihnen, dort zu sein?
Der AMIA-Anschlag ist in Europa außerhalb der jüdischen Gemeinschaften kaum bekannt, dabei war es einer der schwersten antisemitischen Angriffe seit der Schoa. Der Zentralrat der Juden gedenkt der Opfer vor Ort gemeinsam mit Vertretern aller großen jüdischen Gemeinschaften der Welt. Alles spricht dafür, dass hinter diesem islamistischen Anschlag vor 30 Jahren das Mullah-Regime des Iran unter Chamenei steht. Das macht einen natürlich angesichts der aktuellen Situation im Nahen Osten und in der ganzen Welt sehr nachdenklich: Es hat sich wenig geändert.
Wie sieht das Programm vor Ort aus?
Die J7 ist auf Einladung der argentinischen Mitgliedsorganisation DAIA (Delegación de Asociaciones Israelitas Argentinas) in Buenos Aires. Im Anschluss wird es zudem eine Konferenz des World Jewish Congress geben. Das Gedenken an das Attentat und seine Opfer bildet den Rahmen für das J7-Treffen, das am Montagabend begonnen hat. Es wird darum gehen, die aktuellen Herausforderungen für die jüdische Gemeinschaft zu diskutieren und voneinander zu lernen, welche Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus in unseren jeweiligen Ländern Erfolg versprechend sein können. Der Zentralrat kann hier viel mitnehmen, aber auch bieten: Gerade in der Gesetzgebung konnten wir in den vergangenen Jahren einiges erreichen.
Was zum Beispiel?
Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Verbrennen von Flaggen – unabhängig welchen Landes – nun strafbar ist. Wir konnten erreichen, dass ein antisemitisches Motiv bei der Tatbegehung nun strafschärfend wirkt, und dass mit dem neuen Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung Antisemiten schneller die Schwelle der Strafbarkeit überschreiten. Aktuell setzen wir uns dafür ein, dass der Aufruf zur Vernichtung eines Staates unter Strafe gestellt wird. Von »From the River to the Sea« muss ein direkter Weg in den Gerichtssaal führen.
Vor einem Jahr ist die J7 angetreten, um Juden in den großen Gemeinden weltweit gegen den grassierenden Antisemitismus besser zu vernetzen. Gibt es schon Erfolge?
Dieses Zusammenrücken der größten jüdischen Gemeinschaften außerhalb Israels ist schon ein Erfolg an sich. In den Mitgliedsländern der J7 (Argentinien, Australien, Deutschland, Frankreich, Kanada, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten) leben etwa so viele Juden wie in Israel. Die Anti-Defamation League in den USA trägt einen großen Teil dazu bei, indem sie den organisatorischen Rahmen für die J7 bietet. Im März waren Vertreter der J7 zum Gespräch beim Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, in New York. Es war ein intensiver Austausch. Die jüdische Gemeinschaft außerhalb Israels muss in den UN gehört werden.
Was ist der nächste Schritt für J7?
Wir wollen erreichen, dass sich in allen unseren Ländern die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Kampf gegen Antisemitismus weiter schärfen. Wir leisten damit auch einen Beitrag zur Stärkung demokratischer Strukturen insgesamt. Im ersten Halbjahr 2025 übernimmt der Zentralrat den Vorsitz der J7 und richtet das Treffen rund um den 80. Jahrestag des Falls Nazi-Deutschlands aus.
Was raten Sie Juden, die angesichts solcher Gedenktage und der aktuellen globalen Situation zunehmend verzweifeln?
Wir Juden geben niemals auf. Wir halten zusammen, und dieser Zusammenhalt lässt uns auch heute geeint und zuversichtlich nach vorn blicken.
Mit dem Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland sprach Sophie Albers Ben Chamo.