Die Fassade der Kele-Numas-Synagoge in Derbent, der drittgrößten Stadt Dagestans, ist noch immer rußgeschwärzt. Ein islamistischer Mob hatte hier und in Machatschkala, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik, zwei Synagogen angezündet, zwei Kirchen angegriffen und sich mehr als acht Stunden lang Feuergefechte mit der Polizei geliefert. 20 Menschen wurden von den Terroristen ermordet, darunter ein orthodoxer Priester, dem die Männer die Kehle aufschlitzten.
In Machatschkala hatte es bereits kurz nach dem 7. Oktober 2023 ein antijüdisches Pogrom gegeben. Hunderte Menschen waren zum Flughafen der Hauptstadt geströmt, nachdem in den sozialen Medien verbreitet wurde, dass dort eine Maschine aus Tel Aviv landen würde. Der Mob versuchte, das Flugzeug zu stürmen. Die aus Israel evakuierten russischen Staatsbürger mussten in Sicherheit gebracht werden. Hatte der Propaganda-Apparat des russischen Präsidenten Wladimir Putin noch zum Pogrom auf dem Rollfeld geschwiegen, machte er nun verklausuliert den Westen für die jüngsten Anschläge in Dagestan verantwortlich.
Vom eigenen Versagen ablenken
»Wir wissen, wer hinter diesen Attacken steht, und wir wissen, welche Ziele sie haben«, sagte Dagestans Präsident Sergei Melikow in einer Ansprache. »Der Krieg ist in unser Haus gekommen.« Wenn in Russland jemand das Ausland beschuldigt, geht es häufig darum, vom eigenen Versagen abzulenken. Noch immer ist unklar, welche Terrororganisation hinter den Angriffen steckt und wie jüdisches Leben in Zukunft besser geschützt werden soll.
Neu sind die Probleme nicht. Dagestan gehört seit mehr als 100 Jahren zu den gefährlichsten Regionen des Landes. »Seit dem 19. Jahrhundert ist die Region für die russische Zentralregierung ein Pulverfass, mit ethnischen Säuberungen, Deportationen und zwei Kriegen in Tschetschenien zur Konsolidierung der Zentralmacht«, erklärt Igor Mitchnik, Geschäftsführer des Vereins »Austausch« und langjähriger Beobachter der Region.
»Die hohe Geburtenrate, Bildungsferne in weiten Teilen der Bevölkerung und die schwierige wirtschaftliche Lage schaffen die Voraussetzungen für die Unterstützung islamistischer Kräfte und beeinflussen das Bild von Israel und Juden in Teilen der Bevölkerung, die sich häufig durch soziale Medien radikalisiert haben, negativ.« Der Kreml habe dort »eigene Vasallen installiert, die natürlich versuchen, die Kontrolle von oben zu behalten«, so Mitchnik weiter.
Tendenz: sinkend
Doch das scheint ihnen nicht einmal in der eigenen Familie zu gelingen. So sollen drei der Attentäter Söhne und ein Neffe von Magomed Omarow, dem Leiter des Bezirks Sergokalinsky, gewesen sein. Omarow wurde noch während der Anschläge festgenommen. Zwei weitere Attentäter sollen außerdem mit dem ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt und einem Bezirksvorsitzenden der Kreml-treuen Partei »Gerechtes Russland« verwandt sein.
Noch im vergangenen Jahrhundert lebten mehr als 50.000 Juden in Dagestan. Heute, nach den Auswanderungswellen der 90er-Jahre und dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs, sollen es der Jewish Telegraphic Agency zufolge weniger als 10.000 sein. Tendenz: sinkend.