Isi Leibler ist tot. Er starb im Alter von 86 Jahren in Jerusalem. Als jüdischer Unternehmer in Australien sowie als Aktivist und Publizist war Leibler eine der treibenden Figuren im Kampf für die Bürgerrechte der Juden in der Sowjetunion. Bereits Anfang der 60er-Jahre begann er, die Welt auf die Verfolgungen durch die kommunistischen Regime aufmerksam zu machen.
AUSWANDERUNG Isi Joseph Leibler wurde am 9. Oktober 1934 im belgischen Antwerpen als ältester von drei Söhnen des aus einem polnischen Schtetl stammenden jüdischen Diamantenhändlers Abraham Leibler und seiner Frau Rachel geboren. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, im Juni 1939, wanderte die Familie nach Australien aus – die Mutter Leibler hatte die dunklen Wolken am Horizont bereits früh erkannt; der Vater war bereits beruflich in der südlichen Hemisphäre unterwegs. Die Leiblers ließen sich in Melbourne nieder und wurden dort schnell zu anerkannten Mitgliedern der jüdischen Gemeinde.
Nachdem einem Studium der Politikwissenschaften ging Isi nach Israel, um dort Hebräisch zu lernen. Laut seiner Biografin Suzanne Rutland wollte er israelischer Diplomat werden. Doch 1957 starb sein Vater, und Rachel Leibler bestand darauf, dass er anstatt zur Beerdigung direkt nach Antwerpen gehen solle, um dort das Geschäft mit den Diamanten zu erlernen. Erst später ging Leibler nach Melbourne zurück und baute das Geschäft des Vaters wieder auf.
REISEUNTERNEHMER 1965 stieg Isi Leibler ins Reisegeschäft ein, erst um einem Holocaust-Überlebenden zu helfen, der das Unternehmen gegründet hatte. Innerhalb weniger Jahre baute Leibler Jetset Tours stark aus. Dabei fokussierte er sich auf Einwanderer in Australien, denen er attraktive Angebote machte, ihre alte Heimat in Europa und anderswo wieder zu besuchen. Jahrzehnte später verkaufte Leibler die Firma, was ihn zum Multimillionär machte.
1958 heiratete er Naomi Porush, mit der er bis zu seinem Tod verheiratet war. Das Paar hatte vier Kinder.
Bereits als junger Erwachsener engagierte Leibler sich politisch und in jüdischen Verbänden. Zielstrebig baute er enge Kontakte zur australischen Regierung auf und brachte diese dazu, die schwierige Lage der sowjetischen Juden bei den Vereinten Nationen und in anderen internationalen Foren zur Sprache zu bringen.
KONFRONTATION Auch die jüdischen Organisationen forderte der junge Aktivist zu einer härteren Gangart gegenüber Moskau auf. Bei der Vollversammlung des Jüdischen Weltkongresses in Brüssel 1966 kreuzte Leibler sogar öffentlich die Klingen mit dem einflussreichen und bestens verdrahteten WJC-Präsidenten Nahum Goldmann.
Dessen bevorzugte Form der »stillen Diplomatie« mit den Staaten hinter dem Eisernen Vorhang lehnte Leibler ab. Er nannte Goldmann einen »König der Juden« und warf ihm vor, ein »Schtadlanus« zu sein, der sich um des lieben Friedens an die Sowjetführung anbiedere und der seiner Ansicht nach notwendigen Konfrontation aus dem Weg gehe.
Als Vorsitzender des Executive Council of Australian Jewry (von 1978 bis 1995) sowie des Leitungsausschusses des WJC war Isi Leibler einer der wichtigen Player in der internationalen jüdischen Gemeinschaft – auch wenn er nur eine kleine jüdische Gemeinde aus »Down under« vertrat.
Seine Kampagne zur »Befreiung« der sowjetischen Juden war von Erfolg gekrönt: Als Michail Gorbatschow Ende der 80er-Jahre den sowjetischen Juden die Ausreise erlaubte, bemerkte der damalige australische Premierminister Bob Hawke: »Ich wage zu behaupten, Isi, dass kein Einzelner einen größeren Beitrag dazu geleistet hat als du.«
KONTAKTE Laut Suzanne Rutland spielten die guten Kontakte Leiblers in die Politik auch eine Schlüsselrolle dafür, dass sowohl die Volksrepublik China als auch Indien den Staat Israel 1992 offiziell anerkannten. Von zentraler Bedeutung für seinen Erfolg in Asien sei, so Rutland, die Unterstützung gewesen, die Leibler vom australischen Außenminister Gareth Evans erhalten habe. Dieser habe die Botschafter des Landes gewiesen, Leibler den Zugang zu wichtigen Gesprächspartnern vor Ort zu verschaffen.
2004 brachte er den Jüdischen Weltkongress, dessen Vizepräsident er war, mit Enthüllungen über das Finanzgebaren des langjährigen Generalsekretärs Israel Singer ins Wanken. Singer wurde im März 2007 vom WJC-Präsidenten Edgar Bronfman gefeuert; eine Verleumdungsklage gegen Leibler zog der WJC ebenfalls zurück. Zwei Monate später kündigte Bronfman selbst seinen Rückzug als WJC-Präsident an.
KRITIKER Mit ihm hatte Leibler schon zuvor über Kreuz gelegen. Mit scharfen Worten hatte er die Kritik Bronfmans am damaligen Regierungschef Ariel Scharon zurückgewiesen, weil der Präsident sie auf WJC-Briefpapier verschickt hatte.
Mit Bronfmans Rücktritt sah Leibler sich bestätigt. Doch auch Bronfman-Nachfolger Ronald Lauder, der Leibler bald zum WJC-Vizepräsidenten ehrenhalber ernannte, war vor der beißenden Kritik des »alten Mannes« nicht gefeit.
Im Oktober 2019 attackierte Leibler in einem Zeitungsbeitrag unter der Überschrift »Der Jüdische Weltkongress beschämt uns« die Entscheidung des Verbands, Angela Merkel den Theodor-Herzl-Preis zu verleihen. Nur durch Worte, nicht aber durch Taten habe sich die deutsche Bundeskanzlerin als Verbündete Israels präsentiert. Zudem habe Merkel eine Million Flüchtlinge ins Land gelassen – »darunter auch viele Dschihadisten, die für zahlreiche antisemitische Vorfälle verantwortlich zeichnen«, schrieb er.
Bis zu seinem Tod arbeitete Isi Leibler an einer wöchentlichen Kolumne mit dem Titel »Offene Worte aus Jerusalem«, die in der »Jerusalem Post«, in »Israel Hayom« und in anderen Publikationen erschien und in der er zum Teil scharfe Kritik übte an jüdischen Organisationen und Persönlichkeiten in der Diaspora und auch in Israel, die ihm zu anpasserisch unterwegs waren.
Leibler fand stets deutliche, teils auch überharte Worte, kämpfte aber mit offenem Visier. Politisch stand er dem Likud und Benjamin Netanjahu nahe – was den Ministerpräsidenten aber nicht vor scharfer Kritik Leiblers angesichts der gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe schützte.
Bereits Ende der 90er-Jahre hatten Isi und Naomi Leibler Alija gemacht und sich in Jerusalem niedergelassen. Bei Beerdigung Leiblers am Dienstag sagte Rabbiner Riskin, der Verstorbene habe trotz seines einflussreichen Status‹ in Australien 1999 »ohne mit der Wimper zu zucken« das Land verlassen, weil er geglaubt habe, dass »die Zukunft des jüdischen Volkes« in Israel liege.