Am schweizerisch-deutschen Grenzübergang Riehen–Lörrach hat sich am Dienstag am Rande des morgendlichen Berufsverkehrs eine Gruppe von etwa 30 Personen versammelt. Vor ihnen tut sich eine vertikale Einlassung im Boden auf, daneben liegen ein paar rote Rosen. An diesem eher unspektakulären Ort beginnt die ganztägige Zeremonie, mit der der Verein Stolpersteine Schweiz nach einem Anfang in Zürich im vergangenen Jahr nun auch in Basel Stolpersteine verlegt.
Hier an der Grenze aber wird nicht ein einzelner Stolperstein verlegt, sondern eine sogenannte Stolperschwelle. Es soll damit daran erinnert werden, dass an diesem Ort zwischen 1933 und 1945 nicht nur ein einzelner Mensch abgewiesen wurde, sondern Hunderte, wenn nicht gar Tausende Menschen.
ZOLLBEAMTE Bei der Zeremonie wird vor allem auch eines Ereignisses gedacht, das bisher wenig bekannt war: »Am 23. November 1938 wurden an dieser Stelle 13 jüdische Flüchtlinge, die nach den Schrecken der Pogromnacht in der Schweiz Zuflucht suchten, von Schweizer Zollbeamten abgewiesen«, erzählt der Historiker Gabriel Heim, Mitglied der Lokalgruppe Basel des Vereins Stolpersteine Schweiz. Einige dieser 13 Menschen hätten sich geweigert, zurückzugehen und seien deshalb über die Grenze nach Deutschland getragen worden, so Heim.
Obwohl der Grenzkanton Basel mit einer linksdominierten Regierung damals deutlich humaner agierte, als die Berner Behörden es wünschten, kam es auch hier zu solchen dramatischen Szenen. Zwar ist bis heute nicht bekannt, wie viele Menschen an den Schweizer Grenzen zwischen 1933 und 1945 wirklich zurückgewiesen worden sind, doch gibt es die gesicherte Zahl von 30.000 vor allem jüdischen Asylsuchenden, denen die Einreise verweigert wurde.
An vier deportierte Personen erinnern in Basel Stolpersteine, die ebenfalls am Dienstag in den Boden eingelassen wurden. Diese vier Einzelschicksale spiegeln die zum Teil unmenschliche Haltung der Schweizer Behörden wider – eine Haltung, die darin bestand, im Umgang mit Geflüchteten, aber auch mit Menschen, die hier lebten und nicht über einen Schweizer Pass verfügten, restriktiv vorzugehen.
Ein Beispiel dafür ist der in Frankreich gebürtige Gaston Dreher, der mit seinen Eltern als Kind nach Basel kam, hier aufwuchs und auch Schweizerdeutsch sprach. Die Behörden bezeichneten ihn als »asozial«, er hatte keinen Beruf und beging immer wieder kleinere Diebstähle. Er wurde deshalb 1931 nach Frankreich ausgewiesen. Doch nach der Besetzung durch Nazideutschland gelingt ihm 1943 die Flucht zurück in die Schweiz. Sein Vorstrafenregister und sein fehlender Schweizer Pass werden ihm jedoch zum Verhängnis: Die Behörden in Basel übergeben ihn Ende 1943 den Deutschen. Kurz darauf wird er nach Auschwitz-Birkenau deportiert und 1944 in den Gaskammern ermordet.
NEUTRALITÄT »Geschichte bricht nicht über uns herein, sondern sie ist etwas, das wir mitgestalten – und mitverantworten«, sagte am Dienstagabend bei der zentralen Gedenkzeremonie die Schriftstellerin Ruth Schweikert, Vizepräsidentin des Vereins Stolpersteine Schweiz.
Beat Jans, der Basler Regierungspräsident, erinnerte bei der Gedenkveranstaltung auch an die Ermordung von Basler Juden im Mittelalter, schlug den Bogen zu den Deportationen während der Nazizeit und sagte: »Ich bedaure zutiefst, dass sich dieser Teil der Basler Geschichte leider nicht von vielen anderen Städten Europas unterscheidet – der Schweizer Neutralität zum Trotz.«
Schweiz