Es ist Freitagabend. Wie immer kommt der 23-jährige Telefonverkäufer Ilan Halimi gut gelaunt nach Hause, küsst seine Mutter. Sie hat ihm schwarze Lederstiefel gekauft, mit Schnalle, so wie der einzige Sohn der geschiedenen Sekretärin sie liebt. Nach dem Abendessen ruft ein Mädchen bei ihm an, das Halimi heute im Telefonladen angesprochen hatte, und will mit ihm ausgehen. Er sagt zu.
Damit ist Ilan in die tödliche Falle der »Barbaren-Gang« getappt. Der Thriller »24 Tage« des jüdischen Regisseurs Alexandre Arcady, der am Mittwoch in den französischen Kinos anläuft, zeichnet das Schicksal Halimis nach. Eine 20-köpfige Bande unter dem afrikanischen Anführer Youssouf Fofana hielt Ilan 2006 drei Wochen lang gefangen und folterte ihn, um von seiner Familie Lösegeld zu erpressen. Halimi erlag seinen schweren Verletzungen.
Kriminalgeschichte Der Fall gilt als eines der brutalsten antisemitischen Verbrechen in der jüngeren französischen Kriminalgeschichte. Er hielt die Nation auch deshalb in Atem, weil die Behörden seinen judenfeindlichen Charakter zunächst nicht anerkannten, dies aber nach Protesten revidierten.
Regisseur Arcady hat den Film mit »Die Wahrheit über die Halimi-Affäre« untertitelt. »Es war ein antisemitisches und hasserfülltes Verbrechen«, ist er überzeugt. Er weiß, dass »24 Tage« vermutlich kein Publikumserfolg werden wird, aber »nach seinem Tod habe ich mir die Frage gestellt: Ist unser Land wirklich so krank? Für mich war es notwendig, diesen Film zu drehen. Ich wollte nicht, dass man Ilan vergisst.«
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch, in dem Halimis Mutter Ruth die Geschehnisse schildert. Arcady erzählt die Geschichte durch ihre Augen, man kann ihr Schwanken zwischen Angst, Verzweiflung und Hoffnung deutlich spüren. Das Klingeln des Telefons ist für den Zuschauer unerträglich. Immer wieder hält man den Atem an, wenn der Entführer seine Drohungen ins Telefon brüllt, einen neuen Ort für die Lösegeld-Übergabe nennt, dem Vater wieder und wieder droht, seinen Sohn »abzuknallen«.
Manchmal fällt es schwer zu glauben, was man sieht. Das Opfer windet sich am Boden, seine Füße und Hände sind mit Klebeband gefesselt. Zwei Wochen lang lassen ihn die Entführer hungern, der Zuschauer hört seine Schreie, sieht, wie die jungen Täter mit ihren kindlichen Gesichtszügen sich immer wieder an seiner Hilflosigkeit laben. »Manchmal haben wir uns gefragt, wie wir das überhaupt spielen sollen«, gibt der Filmemacher zu.
Schauspieler Den Schauspielern ist das aber genau das gelungen. Vor allem der französische Star Pascal Elbé beeindruckt in der Rolle von Halimis Vater. Geschickt springt der Film auch zwischen den verschiedenen Schauplätzen hin und her, unter anderem dem bürgerlichen jüdischen Zuhause Halimis und der düsteren Vorstadt, wo er in einem Hochhaus gequält wird.
Akribisch zeichnet der Regisseur die polizeilichen Ermittlungen nach und hebt dabei die Pannen hervor. Seine Position ist eindeutig. »Der Fall Halimi ist einer der größten Misserfolge der französischen Polizei«, sagte er bei der Vorpremiere in Montpellier vor einem vorwiegend jüdischen Publikum.
Nach der Vorführung hinterlassen einige Zuschauer Botschaften für Ruth Halimi auf dem Filmplakat. Dort steht: »Eine jüdische Mutter kann Ihr Leid verstehen« oder »Ilan wird für immer in unseren Herzen bleiben«.
Arcady hofft darauf, mit seinem Werk in Schulen und anderen Einrichtungen dem Antisemitismus entgegenzuwirken. Gaby Atlan, Gemeindevorsitzender aus dem nahe gelegenen La Grande Motte, wird mit 40 Personen nach Montpellier kommen. »Der Film ist eindrucksvoll, aber angesichts der Geschichte kann man Arcady wohl nicht gratulieren«, sagt er: »Ich weiß auch nicht, ob er etwas an den antisemitischen Vorfällen ändern wird, vor allem, wenn nur Juden ihn sehen.«