Mazsihisz

»Ich wollte ein Zeichen setzen«

Herr Heisler, vergangene Woche haben Sie das »Ritterkreuz des ungarischen Verdienstordens«, eine der höchsten Auszeichnungen des Landes, zurückgegeben. Wie kam es dazu?
Ich wollte ein Zeichen setzen, denn ich kann es nicht hinnehmen, dass der Journalist Zsolt Bayer ebenfalls das Ritterkreuz erhalten hat. Bayer hat Hunderte rassistische Artikel gegen Juden und Roma sowie zahlreiche Beiträge gegen Homosexuelle und Flüchtlinge verfasst. Mit der Rückgabe des Ordens wollte ich zeigen, dass ich mit jemandem wie Zsolt Bayer nicht in einer Reihe stehen möchte.

Außer Ihnen haben rund 100 weitere bekannte Persönlichkeiten ihre Orden zurückgegeben. Hatten Sie sich miteinander abgesprochen?
Nein, das waren alles vollkommen individuelle Entscheidungen. Niemand wurde überredet oder gar genötigt, seine Auszeichnung zurückzugeben.

Wie hat man in Ungarn auf Ihre symbolische Geste reagiert?
Innerhalb der jüdischen Gemeinde gab es große Zustimmung, und auch viele Intellektuelle begrüßten die Geste. Die Regierung jedoch sieht das natürlich anders. Staatskanzleichef János Lázár, der übrigens Bayer das Ritterkreuz verliehen hat, sagte am Montag bei einer Pressekonferenz, dass er unsere Geste ablehnt und die Gründe für die Rückgabe des Ordens absolut nicht nachvollziehen kann.

Sie haben das Ritterkreuz 2012 für Ihre jahrzehntelange Arbeit für die jüdische Gemeinschaft bekommen. Wie hat sich das jüdische Leben in Ungarn unter der Regierung der rechtskonservativen Fidesz-Partei verändert?
Wissen Sie, jedes Herrschaftssystem hat seine speziellen Methoden. Im Falle der Koalitionsregierung von Fidesz und der christdemokratischen KDNP führen sie dazu, dass sie unsere Gemeinde spalten. Das hat zur Folge, dass wir, die jüdische Dachorganisation Mazsihisz, unsere Interessen noch viel stärker vertreten müssen. Aber das ist ja unsere Aufgabe, und so kann ich sagen, dass wir im Laufe der Jahre eigentlich noch stärker geworden sind.

Agiert die Regierung offen antisemitisch?
Nein, das kann man nicht sagen.

Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Ihrer Organisation und der Regierung Orbán beschreiben?
Es gibt im Alltag zahlreiche Bereiche, in denen wir wirklich gut zusammenarbeiten. Wir bekommen viel Hilfe von der Regierung. Doch gleichzeitig kommt es immer wieder zu Vorfällen wie solchen, dass eben Zsolt Bayer das Ritterkreuz erhält oder dass wir uns mit der Regierung zum Beispiel über Denkmäler und Mahnmale streiten. Die Regierung hat eine völlig andere Sicht auf die ungarische Geschichte während der Nazizeit als wir. Mit dieser Situation umzugehen, ist wirklich nicht einfach für uns.

Mit dem Präsidenten der ungarisch-jüdischen Dachorganisation Mazsihisz sprach Tobias Kühn.

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025