Die wohl berühmtesten Sätze von Robert Durst waren eigentlich nie für die Öffentlichkeit bestimmt. Nach einem Interview für eine Dokumentarserie blieb das Ansteckmikrofon des exzentrischen US-Millionärs unbemerkterweise angeschaltet, während er zur Toilette ging.
Zwischen Wasserrauschen und Papierzerknüllen sprach er mit sich selbst. »Nun ist es so weit. Sie haben dich. Was für ein Desaster«, murmelte Durst bei den Aufnahmen für die 2015 erschienene HBO-Dokumentarserie »The Jinx: The Life and Deaths of Robert Durst«. »Was zur Hölle habe ich getan? Na klar - ich habe sie alle umgebracht.«
Die dahingemurmelten Sätze ließen Amerika den Atem anhalten - und gaben den Ermittlungen gegen den seit Jahrzehnten unter mehrfachem Mord-Verdacht stehenden Durst neuen Schwung. Im vergangenen Herbst wurde der Sohn einer der bekanntesten New Yorker Luxus-Immobilien- Dynastien wegen des Mordes an einer Freundin vor mehr als 20 Jahren zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilt. Kurz darauf wurde eine weitere Mordanklage gegen Durst eingereicht - fast 40 Jahre nach dem aufsehenerregenden Verschwinden seiner Ehefrau.
Doch zu diesem Prozess wird es nun nicht mehr kommen: Am Montag starb Durst im Alter von 78 Jahren in Kalifornien, wie sein Verteidiger Chip Lewis mitteilte. Durst habe sich im Gewahrsam der Justiz befunden und sei an natürlichen Ursachen gestorben. Der Millionär war schon länger gesundheitlich angeschlagen gewesen. Im Gericht war der unter anderem an Blasenkrebs erkrankte Durst im Rollstuhl erschienen, zwischenzeitlich war er auch an Covid-19 erkrankt.
Die Staatsanwaltschaft in Westchester (New York) zeigte sich angesichts des geplatzten neuen Prozesses gegen Durst wegen des Verschwindens seiner Ex-Partnerin Kathie McCormack Durst 1982 enttäuscht. »Nach 40 Jahren Suche nach Gerechtigkeit für ihren Tod weiß ich, wie bestürzend diese Nachricht für Kathleen Dursts Familie sein muss«, teilte Bezirksstaatsanwältin Miriam Rocah mit. Man habe der Familie mit der Klage Gelegenheit geben wollen, um mit der Sache abzuschließen. In den kommenden Tagen wollen die Ankläger dennoch neue Informationen über den Fall veröffentlichen.
Durst sei ohne Reue für sein Tun gestorben, zitierte der US-Sender NBC aus einer Erklärung von John Lewin, dem stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles County. Lewin hatte 2021 gegen den Immobilienbaron wegen des Mordes an seiner engen Freundin Susan Berman erfolgreich Prozess geführt. »Bis zum Schluss war er feindselig, reuelos und unerbittlich«, schrieb Lewin demnach. »Meine Gedanken und mein Mitgefühl sind bei seinen Opfern.«
Die Geschichte des 1943 in New York geborenen Durst ist gruselig, aber auch tragisch: Als ältestem Sohn einer New Yorker Immobilien- Dynastie war ihm ein Leben in Reichtum gewiss, doch Glück kam nicht dazu. Seine Mutter starb, als er sieben Jahre alt war. Mit seinem Bruder Douglas stritt er ständig - und der Konflikt eskalierte, als der Vater Douglas dem älteren und eigentlich als Nachfolger an der Spitze des Familien-Imperiums vorgesehenen Robert vorzog.
Zuletzt war Robert Durst mit dem Rest seiner jüdischen Familie vollständig zerstritten und verfeindet gewesen. Er sei schon immer sicher gewesen, dass sein Bruder schuldig an den Morden sei, sagte Douglas Durst einmal der »New York Times« - und er habe Angst vor ihm. »Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass - wenn er die Möglichkeit dazu hätte - er mich umbringen würde.«
Mit drei Morden wurde Robert Durst in Verbindung gebracht: 1982 verschwand seine Ehefrau Kathleen McCormack spurlos im US-Bundesstaat Vermont. Die Polizei geht davon aus, dass sie tot ist, auch wenn die Leiche der damals 29-Jährigen nie gefunden wurde. 2000 wurde Dursts enge Freundin Susan Berman ermordet in ihrem Haus in Kalifornien entdeckt. Ein Jahr später wurden Leichenteile von Morris Black gefunden, einem damaligen Nachbarn von Durst in Texas.
In allen drei Fällen wurde Durst verdächtigt und auch mehrfach befragt - aber lange nicht verurteilt. Im Fall von Blacks Ermordung kam er vor Gericht, wurde aber freigesprochen. Durst gestand, den Nachbarn getötet und zerstückelt zu haben. Laut Staatsanwaltschaft wollte Durst die Identität des Mannes stehlen, um den Ermittlungen zum Verschwinden seiner Frau zu entgehen. Die Tötung sei in Notwehr erfolgt, verteidigte sich Durst - und bekam Recht.
Danach versuchte er immer wieder, den Justiz-Behörden zu entkommen - floh durch die gesamte USA, checkte unter falschen Namen in Hotels ein und soll sich zeitweise sogar als taube Frau verkleidet haben. Erst im vergangenen Jahr fand dieser Krimi mit der Verurteilung wegen Mordes an Susan Berman ein Ende. Die Geschworenen sahen es als erwiesen an, dass Durst sie in der Weihnachtszeit im Jahr 2000 in ihrem Haus in Beverly Hills erschoss.
Die berühmten Sätze aus der HBO-Dokumentation brachten diesen Mordprozess zwar in Gang - der Schuldspruch basierte dann aber letztendlich nicht darauf. Die Abschriften der Tonaufnahmen vor Gericht zeigten nach Medienberichten, dass die Zitate zusammengefügt und bearbeitet worden waren, um sie in eine andere Reihenfolge und einen anderen Kontext zu bringen.