Seit 32 Jahren können sich Juden in Nordamerika über die »Honey from the Heart«-Spendenaktion des amerikanischen Arms der weltweiten Hilfsorganisation ORT ein Schana towa, ein frohes und süßes neues Jahr, wünschen.
Melvin Prostkoffs Synagoge in New Hamphsire macht seit fünf Jahren dabei mit. Dieses Jahr bestellte er Honig im Wert von 338 Dollar. 26 Gläser gingen an seine Kinder, Enkelkinder und Freunde, die verstreut in den Vereinigten Staaten und Kanada leben. »Es ist schön, auf diesem Weg ›Hallo‹ zu sagen und sich bei Menschen, die einem wichtig sind, zu bedanken«, sagt der Neurochirurg im Ruhestand.
Interessenten bestellen online, die Gläser werden mit einer Grußbotschaft und einer Karte mit Segenssprüchen an die Adressaten gesandt. Temple Israel of Portsmouth in New Hampshire, Prostkoffs Gemeinde, behält einen Teil der Einnahmen. Der größere Teil geht an ORT America.
GESCHICHTE ORT wurde 1880 in Russland gegründet. Der Name ist ein Akronym für: Obschestvo Remeslenovo i Zemledelcheskovo Trouda – Gesellschaft für Arbeit im Handwerk und Agrarsektor. Der amerikanische Arm der Organisation feiert sein 100-jähriges Bestehen. Heute unterhält ORT unter anderem Schulen und investiert in die Ausbildung von unterprivilegierten Kindern.
Den größten Teil der Arbeit an der Spendenaktion erledigen seit 32 Jahren Terry Schwartz und Lesley Berman ehrenamtlich. 1990 hatte Berman die Idee, mit Honig Geld zu sammeln. Im Jahr davor hatte sie ein Glas von einer Freundin erhalten, die damit ihre Gemeinde unterstützte. Berman fragte die dahinter stehende Organisation, ob ORT im kommenden Jahr mitmachen könne. Diese lehnte ab.
Interessenten bestellen online, die Gläser werden mit einer Grußbotschaft und einer Karte mit Segenssprüchen an die Adressaten gesandt.
»Deren Pech, haben wir uns gedacht«, erinnert sich Schwartz. »Dann machen wir es eben selbst.« Im ersten Jahr verkauften die in Atlanta lebenden Freundinnen im Auftrag ihrer ORT-Gruppe rund 200 Gläser Honig. Dieses Jahr waren es bereits 56.000 Gläser. Mehr als 250 jüdische Einrichtungen nahmen teil.
»Wir sind stetig gewachsen«, sagt Schwartz. Die 65-Jährige bezeichnet sich selbst als jung geblieben. Während der Sommermonate ging die frühere Bürokauffrau oft erst in den Morgenstunden schlafen, weil noch Honig verschickt werden musste. Seit 2015 bereitet eine externe Firma die Gläser zum Versand vor. Auch die liebevoll gestalteten Etiketten und die Grußkarten sind nicht mehr handgeschrieben. »Es war einfach zu viel Arbeit für uns als Ehrenamtliche«, sagt sie.
CORONA Während der Pandemie stiegen die Verkaufszahlen sprunghaft an. Die Hohen Feiertage konnten nur virtuell abgehalten werden. »Als Zeichen der Wertschätzung haben viele Gemeinden Honig an die Mitglieder geschickt«, erzählt Schwartz. Für die Rentnerin ist ihre Arbeit an der Spendenaktion zu einer Lebensaufgabe geworden. »Obwohl ich nicht direkt bei der Konzeption dabei war, habe ich das Vorhaben von Anfang an begleitet. Wir sind alle sehr stolz auf die Entwicklung, die das Projekt genommen hat.«
Die Einnahmen aus dem Honigverkauf kommen Bildungseinrichtungen in Israel wie etwa dem Internat Kfar Silver in der Nähe von Aschkelon zugute. Dort leben und lernen etwa 290 Jugendliche und bereiten sich auf das Arbeitsleben vor. »Dank der Spendenaktion sind wir in der Lage, die Lebenssituation vieler junger Menschen positiv zu beeinflussen«, sagt Tova Kantrowitz, Leiterin der Marketingabteilung von ORT America.
Nicht nur entfernt lebenden Verwandten und Freunden schickt Melvin Prostkoff ein Glas Honig, sondern auch seiner Frau und sich selbst – damit sie beide den Honig genießen können.