Kanada

Honig für Rosch Haschana

Für viele gehört der Verzehr von Äpfeln, die in Honig getaucht werden, zu Rosch Ha­schana wie das Fasten zu Jom Kippur. Die Süße der Früchte und des Honigs symbolisiert den Wunsch nach einem guten, süßen neuen Jahr.

Die jüdische Gemeinschaft in Toronto kann seit einigen Jahren durch das Projekt »Shoresh« ihren Honigbedarf allein decken. Die Umwelt- und Bildungsorganisation, die 2008 gegründet wurde, feiert dieses Jahr Batmizwa und bietet mehr als 1500 Gläser Honig zum Preis von je 18 Dollar an. Die meisten gehen an Gemeindemitglieder, andere werden nach Montreal und in die Vereinigten Staaten verkauft.

Das Bienenwachs wird geschmolzen und zu Schabbatkerzen verarbeitet.

Für Sabrina Malach, Community Engagement Director von Shoresh und treibende Kraft hinter der Bienenzucht, symbolisieren die kleinen Insekten und der von ihnen produzierte Honig den Zusammenhang zwischen Umweltschutz und jüdischer Religion.

»Wenn Bienen sterben, sterben auch jüdische Traditionen«, sagt sie. Ohne Bienen gäbe es weder Honig noch Äpfel. »Das ist ein Beispiel dafür, dass Traditionen und Rituale leiden, wenn die Umwelt nicht geschützt wird.«

Malach, die schon von Anfang an bei Shoresh mitarbeitet, ist sich sicher, dass Bienen, deren Artenvielfalt und Anzahl weltweit schrumpfen, nicht nur in ritueller Hinsicht »den Laden schmeißen«.

Die Umweltwissenschaftlerin hat ihre Masterarbeit über den Schutz von Bienen in Nordamerika geschrieben. Sie sagt, dass Bienen als Bestäuber eine Rolle bei der Produktion der meisten unserer pflanzlichen Lebensmittel spielen.

Inzwischen hat Malachs Bienenbegeisterung auch ihre Kollegen erfasst. »Es ist wirklich unglaublich, wie jede einzelne Biene schuftet, um eine winzige Menge Honig zu produzieren«, sagt Allie Shier, Shoreshs geschäftsführende Direktorin, voller Bewunderung.

FREIWILLIGE Zwei- bis dreimal im Jahr wird geerntet – zuletzt Mitte August, um den Honig für Rosch Haschana zu gewinnen. 15 Freiwillige kamen nahe dem Honighaus auf Bela Farms, einem Bauernhof außerhalb von Toronto, zusammen. Sie erhielten eine Einführung in die Honiggewinnung und lernten, wie der Honig von der Wabe in die Gläser gelangt.

Es ist Shier wichtig zu betonen, dass die Honigproduktion nicht im Vordergrund der Bemühungen von Shoresh steht. »Wir erwarten von den Bienen nichts, das sie nicht ohnehin tun würden«, sagt sie. Es gehe Shoresh primär um die Erhaltung der kanadischen Honigbienen und deren Lebensraum.

Um eine angemessene Überwinterung zu gewährleisten, lasse man für die Bienen genug Honig in den Stöcken zurück. Das Bienenwachs wird geschmolzen und zu Schabbatkerzen verarbeitet. Die Einnahmen fließen zu 100 Prozent in die Arbeit von Shoresh zurück.

KOSTEN »Ein Glas Honig müsste eigentlich 180 Dollar kosten und nicht nur 18«, sagt Shier. »Wenn man alles miteinbezieht, was wir tun, um den Bienen ein angenehmes und artgerechtes Leben zu bereiten, dann kommt man auf diesen Betrag.«

Alle zwei bis drei Wochen treffen sich Freiwillige, um den Lebensraum der Insekten, ein mehrere Hektar großes, mit heimischen Blumen bepflanztes Areal bei Bela Farms, zu pflegen. »Das ist ein großes Büfett für die Bienen«, sagt Shier. Und selbstverständlich verzichte man auf Pestizide.

Die Anzahl der Bienenstöcke schwankt von Jahr zu Jahr, je nachdem wie die Insekten den mitunter harten kanadischen Winter überstehen, zwischen sechs und acht. Benannt sind sie nach weiblichen Vorbildern des Teams. »Einer heißt zum Beispiel Rachel, nach unserer biblischen Vorfahrin«, sagt Shier. Sollte ein Stock den Winterschlaf nicht überleben, wird eine neue Königin eingesetzt, die ein neues Bienenvolk gründet. Außerhalb der Erntezeit werden die Bienen dann weitestgehend sich selbst überlassen.

Für Shoresh gehören die Gerechtigkeit für Mensch und Erde zusammen.

Neben der Bienenzucht hält Shoresh ein Bildungsangebot bereit. Die Seminare verbinden Religion, soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

Bevor sie in der ersten Woche der Pandemie ihren jetzigen Job bei Shoresh antrat, wusste Shier nicht viel darüber, dass viele jüdische Feiertage und Bräuche in der Landwirtschaft wurzeln. »Doch wenn man sich den jüdischen Kalender anschaut, wird klar, dass sich vieles nach dem Jahreskreis richtet«, sagt sie.

ERSTAUNEN Shoresh – hebräisch: »Wurzel« – sei jüdischen Werten und Geboten verpflichtet, sagt Shier. Dazu gehört zum Beispiel die Idee, dass sich der Mensch der Welt gegenüber ein großes Maß an bewunderndem Erstaunen erhalten sollte.

Außerdem seien alle dazu angehalten, sich als Beschützer der Erde und des Bodens zu verstehen, also als Schomrei Adama. Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt, ergibt sich für Malach und Shier die Verpflichtung, die Erde in das Streben nach Gerechtigkeit einzubeziehen. Ein bekannter jüdischer Leitsatz laute: »Zedek, zedek, tirdof« – »Nach Gerechtigkeit, Gerechtigkeit sollst du streben«, erklärt Shier. Soziale Gerechtigkeit für alle sei untrennbar mit der umweltpolitischen Gerechtigkeit für die Erde verbunden, hebt sie hervor. »Nachhaltigkeit ist ein jüdischer Wert.«

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