Das Virus ist Sarah Laster nahegekommen: Ihr Ehemann, ein Polizeibeamter, war erkrankt. Zudem hatte die Schwester berichtet, wie extrem die Situation in dem Krankenhaus ist, in dem sie arbeitet.
Tausende Patienten drängen in die Notaufnahmen. Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger im staatlichen Gesundheitsdienst NHS – die Presse nennt sie »Corona-Helden« – arbeiten bis zum Umfallen. Viele haben kaum Zeit zum Essen, zudem fehlt in Krankenhauskantinen Personal, weil es erkrankt oder in Quarantäne ist.
Sarah Laster wollte helfen. Vor vier Wochen hat sie deshalb mit Freunden und Bekannten die Initiative ergriffen und eine Kampagne ins Leben gerufen: »You donate … we deliver« − Sie spenden, wir liefern.
Kampagne Erst haben sie Kuchen und Kekse gebacken, als süße Anerkennung für das Krankenhauspersonal. Inzwischen ist die Organisation gewachsen. Sie beliefern jetzt 17 Krankenhäuser vor allem in Nord-London mit bis zu 1300 Mahlzeiten täglich. Zehn Köche bereiten sie in professionellen Restaurantküchen zu, 70 Freiwillige helfen als Fahrer.
Ihre Facebook-Seite hat 2000 Follower. Über die Online-Spendenseite GoFundMe haben sie in knapp einer Woche 50.000 Pfund gesammelt, das Ziel sind vorerst 100.000 Pfund (115.000 Euro). »Die Reaktionen in den Krankenhäusern sind rührend, wunderbar: Wir erleben Tränen und viel Dankbarkeit«, erzählt Laster.
Die vier Organisatoren der Hilfsaktion sind in jüdischen Gemeinden aktiv, drei in der Edgware and Hendon Reform Synagogue.
Die vier Organisatoren der Hilfsaktion sind in jüdischen Gemeinden aktiv, drei in der Edgware and Hendon Reform Synagogue. Sarah Laster, 39 Jahre alt, arbeitet in der Verwaltung des Fußballklubs Maccabi, Katie Icklow (45) als kosmetische Nageltechnikerin, Jackie Commissar (69), die ursprünglich aus Spanien stammt, ist eine energiegeladene Unternehmerin. David Benveniste (49), ein Versicherungsmakler, gehört zur Gemeinde der Stanmore United Synagogue.
Während die Frauen das Spendensammeln und das Zubereiten der Mahlzeiten koordinieren, organisiert David die Fahrdienste.
In ihrer Nord-Londoner Gegend gibt es einen recht hohen Anteil jüdischer Einwohner, doch das Projekt umfasst alle, die dort leben. »Insgesamt haben uns Tausende Menschen unterstützt, sowohl jüdische als auch nichtjüdische«, erzählt Laster. »Es macht uns sehr demütig, die Großzügigkeit zu sehen«, sagt sie. Eine lokale Synagoge hilft bei der Spendensammlung, die Supermarktkette Sainsbury’s hat einige Lebensmittel zur Verfügung gestellt, der Kostümverleih Angels Fancy Dress spendete 150 OP-Kittel als Schutzkleidung.
Mahlzeiten Bei aller Dankbarkeit betont sie, dass sie »verzweifelt mehr Mittel brauchen«, um den Essensdienst zu finanzieren. Sie sagt sogar fünfmal »verzweifelt«. »Es kostet uns etwa 20.000 Pfund, die Mahlzeiten für eine Woche zuzubereiten.« Das gesammelte Geld reiche nur noch für eine Woche. Man bräuchte Großspender, um den Lieferservice in die Krankenhäuser länger finanzieren zu können.
Großbritannien ist in Europa eines der von der Corona-Pandemie am schwersten betroffenen Länder. Offiziellen Angaben zufolge, die jedoch von der geringen Zahl der Tests stark nach unten verzerrt sind, gab es bislang deutlich mehr als 150.000 Infizierte auf der Insel. Auch Premierminister Boris Johnson zählte dazu, er musste zeitweise auf der Intensivstation eines Londoner Krankenhauses behandelt werden.
Inzwischen sind mehr als 21.000 Menschen mit Corona-Infektion gestorben, darunter Dutzende NHS-Mitarbeiter. Das Gesundheitssystem gilt als überlastet, viele Klagen gibt es über den Mangel an Schutzbekleidung für das Personal.
notlage Sarah Laster will keine politische Kritik äußern. »Die Ärzte und Pfleger machen eine fantastische Arbeit. Sie riskieren ihr eigenes Leben, um anderen zu helfen.« Sie selbst wolle ebenfalls etwas beitragen, um die nationale Notlage zu linden.
Die Krise löst so auch eine Welle der Solidarität aus. Nach einem Aufruf des Gesundheitsministers, den NHS zu unterstützen, haben sich innerhalb weniger Tage mehr als eine halbe Million Briten als Freiwillige gemeldet, die als Kurierfahrer, Lieferanten oder Patientenunterstützer helfen wollen. Die Boulevardpresse sprach von einer »Armee der Hilfsbereitschaft«.