USA

Hass von allen Seiten

Palästinensische Proteste Mitte Mai in Houston Foto: imago images/NurPhoto

Anfang der Woche hat US-Präsident Joe Biden das vormalige Lieblingsinstrument seines Vorgängers Donald Trump für eine dringende und eindringliche Botschaft genutzt. Er twitterte: »Die jüngsten Attacken auf jüdische Gemeinden sind verabscheuungswürdig, und sie müssen aufhören. Ich verurteile dieses hasserfüllte Verhalten zu Hause und anderswo – es liegt an uns allen, Hass keinen Platz einzuräumen.«

Der Kommentar des Präsidenten folgte auf einen gemeinsamen Appell jüdischer Organisationen, die sich nach einer explosionsartigen Zunahme der antisemitischen Vorkommnisse im Land an ihr Staatsoberhaupt gewandt hatten.

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»Wir befürchten, dass die Art und Weise, wie der (Gaza-)Konflikt dazu missbraucht wurde, antisemitische Rhetorik zu verschärfen, gefährliche Akteure zu ermutigen und Juden sowie jüdische Organisationen zu attackieren, Auswirkungen noch weit über die vergangenen zwei Wochen haben wird.« So heißt es in dem Schreiben, das so unterschiedliche Organisationen wie die Anti-Defamation League (ADL), die American Jewish Community, die Jewish Federations of North America sowie die Orthodox Union und Hadassah, die Organisation amerikanischer Zionistinnen, unterzeichnet haben.

Angriffe Allein die Bürgerrechtsorganisation ADL vermeldete 200 augenscheinlich antisemitische Attacken, nachdem der Raketenterror der Hamas auf Israel begonnen hatte. In der Woche zuvor, so die ADL, seien es 131 Vorfälle gewesen. Nicht mitgezählt wurden Angriffe und Ausfälle in den sozialen Medien. Eine ADL-Analyse von Twitter-Einträgen fand nach dem Beginn des Beschusses durch die Hamas mehr als 17.000 Beiträge mit Variationen des Satzes »Hitler was right« (Hitler hatte recht).

Unter den realen Übergriffen waren ein Überfall mit Pfefferspray, bei dem auch Flaschen und Fäuste flogen, auf das jüdische Restaurant »Sushi Fumi« am La Cienega Boulevard im Stadtteil Beverly Grove in Los Angeles. Die Attacke eines arabischen Mobs, der antisemitische Parolen grölte, ging für die angegriffenen Gäste glimpflich aus – ähnlich wie die Hetzjagd von Arabern, die in Los Angeles’ Fairfax District mit zwei Autos einen orthodoxen Juden durch die Straßen hetzten.

Auf einem Überwachungsvideo des Fernsehsenders »ABC7« ist deutlich zu sehen, wie die Männer mit ihren Fahrzeugen direkt auf den orthodoxen Juden zuhalten. In einem Wagen steht der Beifahrer und schwenkt durch das geöffnete Schiebedach eine palästinensische Flagge. Der Verfolgte konnte sich unverletzt retten.

verletzungen Weniger glimpflich endete eine Party in Albuquerque, New Mexico, für den israelischen Studenten Roni Saponar. Der Studienanfänger, der ein T-Shirt mit dem Slogan »Just Jew it« trug, wurde von einer Gruppe arabischstämmiger und nicht arabischstämmiger Amerikaner antisemitisch beschimpft, angegriffen und zusammengeschlagen.

Zudem wurden ihm seine Schuhe und die Armbanduhr gestohlen. Saponar wurde wegen innerer Blutungen und einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus behandelt. Seine physischen Verletzungen hat der sportliche Footballspieler zum Glück bereits überwunden – die psychischen Wunden werden noch eine Weile anhalten.

In der Politik gibt es einen schleichenden Paradigmenwechsel gegenüber Israel.

Schon während der Amtszeit Donald Trumps hatten, trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse des sich so gern philosemitisch gerierenden Staatschefs, die antisemitischen Übergriffe auf Juden – vornehmlich auf leicht als solche auszumachende Anhänger der Orthodoxie – dramatisch zugenommen. Da waren Neonazis und rassistische Milizen wie die »Proud Boys« am Werk. Zudem gibt es Verschwörungstheoretiker in Amt und Würden wie die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, die jüngst die Maskenpflicht mit dem Zwangsgebot des Tragens des »gelben Sterns« während der Schoa verglich.

UNIVERSITÄTEN Doch ähnlich wie in Europa haben es auch die USA mit der gesamten Bandbreite des Antisemitismus zu tun. In den akademischen Milieus der Universitäten blüht der linke Judenhass unter dem Deckmantel des Antizionismus und der Solidarität mit den Palästinensern. Dieser Hass hat sich teilweise tief in linke jüdische Studenten­organisationen hineingefressen, die sich zunehmend von Israel distanzieren. Vorbilder für solch ein Verhalten finden sich zudem in Bidens Partei, den Demokraten. Dabei geht es noch nicht einmal um offen antisemitische Hetzerinnen wie Ilhan Omar, sondern um einen latenten Wandel des Israelbildes innerhalb der Partei.

Immer lauter werden etwa im Kongress Stimmen, die Israel vorgebliche Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Der Apartheid-Vorwurf des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa und mehrerer sogenannter progressiver Menschenrechtsgruppen haben sich vom vormaligen »Slur« – einer verächtlich machenden Verleumdung – zur mehrheitsfähigen politischen Äußerung gemausert.

Und was eben noch unerschütterlich zum jüdischen Staat stehende Abgeordnete waren, sind heute Politiker, die die »Unverhältnismäßigkeit« der israelischen Reaktion auf den vieltausendfachen Raketenbeschuss aus Gaza kritisieren.

GLEICHSETZUNG Dieser schleichende Paradigmenwechsel in der amerikanischen Politik gegenüber Israel äußert sich auch in Joe Bidens Statement zur Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel: »Palästinenser und Israelis verdienen es gleichermaßen, ein sicheres Leben führen zu können und das gleiche Maß an Freiheit, Wohlstand und Demokratie genießen zu können.«

Eine Gleichsetzung der Terror-Junta der Hamas in Gaza und des Abbas-Regimes in Ramallah mit dem Rechtsstaat Israel kam lange nicht aus dem Mund eines US-Präsidenten. Die schwindende Unterstützung für Israel – auch und gerade bei jüdischen Jugendlichen – ist also kein freischwebendes Phänomen, sondern Ergebnis einer politischen Wende im Land.

Da werden Aktionen wie die der Jugendabteilung der Gemeinde Bnai Yeshurun in Teaneck, New Jersey, beinahe schon zur löblichen Ausnahme. Die Kinder und Jugendlichen sammelten mehr als 40.000 Dollar für Spielsachenpakete ein. Die Pakete, die 54 Dollar pro Stück kosten, sind für Kinder in Israel bestimmt, die in den vergangenen Wochen ihre Freizeit in Schutzräumen und Bunkern verbringen mussten.

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