Im überfüllten Sitzungssaal ASPG2 des Europaparlaments in Brüssel ist Israels Minister für strategische Angelegenheiten, Gilad Erdan, am Mittwoch deutlich geworden: »Es ist Zeit, dass wir der BDS-Bewegung die Maske vom Gesicht reißen«, rief er den anwesenden Abgeordneten zu und hielt eine weiße Maske hoch, auf der Begriffe wie Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität standen.
Ziel der »Boycott, Divestment and Sanctions«-Bewegung sei nicht, diese hehren Werte hochzuhalten, sondern vielmehr, das Existenzrecht Israels zu bekämpfen, sagte Erdan.
Auf einer Videoleinwand ließ er sodann einen Clip mit BDS-Gründer und Anführer Marwan Barghouti einblenden, in dem dieser sagt, man werde den jüdischen Staat auf palästinensischem Gebiet niemals akzeptieren.
»Unter dem Deckmäntelchen fortschrittlicher Werte bombardiert BDS die Welt mit antisemitischer Propaganda«, so Erdan. Europas Regierungen dürften dieser Kampagne nicht länger tatenlos zusehen. BDS sei keine Menschenrechtsorganisation – im Gegenteil, die Kampagne habe eindeutige Verbindungen zu Terrororganisationen wie der Hamas und der Volksfront zur Befreiung Palästinas.
Für seinen Auftritt in Brüssel hatte der Likud-Politiker auch eine neue Studie seines Ministeriums im Gepäck.
Studie Für seinen Auftritt in Brüssel hatte der Likud-Politiker auch eine neue Studie seines Ministeriums mit dem Titel »Hinter der Maske« im Gepäck, in der 80 Beispiele für zum Teil schockierende antisemitische Äußerungen und Karikaturen führender BDS-Aktivisten aufgelistet sind. Darunter findet sich der Aufruf, Juden sollten »in die Gaskammern zurückkehren«. Die Israelis würden Wasservorräte der Palästinenser vergiften, und Benjamin Netanjahu sei ein Wiedergänger Adolf Hitlers, behauptete die BDS-Bewegung.
Die dort verwendeten Argumentationsstränge gegenüber Israel fallen laut Erdan eindeutig unter die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). BDS negiere nicht nur das Selbstbestimmungsrecht des jüdischen Volkes in seiner angestammten Heimat, sondern leiste auch einen wesentlichen Beitrag dazu, dass der Antisemitismus im Westen wieder salonfähig werde.
Man habe heute zwar nicht eine Situation wie in den 30er-Jahren, doch damals sei aus Aufhetzung und Hass schnell Gewalt gegenüber Juden geworden, sagte der Minister. Daher sei BDS brandgefährlich – weniger für Israel selbst als für die westlichen Gesellschaften, in denen die Bewegung aktiv sei.
Bundestag Erdan lobte den jüngsten Beschluss des Deutschen Bundestages gegen BDS und forderte, ihn konsequent anzuwenden. Dazu gehöre zum Beispiel, dass Demonstrationen von Hisbollah-Anhängern untersagt würden. Hier müsse Deutschland noch einiges tun. Er werde das Thema bei seinem Berlin-Besuch an diesem Donnerstag mit Bundesinnenminister Horst Seehofer ansprechen.
Deutliche Kritik übte Erdan an der Europäischen Union und namentlich der scheidenden EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Die EU unterstütze viele Nichtregierungsorganisationen im Nahen Osten mit sechsstelligen Beträgen, obwohl diese NGOs Teil der BDS-Bewegung seien. So finanziere der europäische Steuerzahler Hass und Hetze gegen Israel mit. Das müsse ein Ende haben, verlangte Erdan unter großem Applaus in Brüssel. Organisationen, die Israels Existenzrecht nicht respektierten, dürften nicht in den Genuss staatlichen Geldes kommen.
Die Anführer der BDS-Bewegung sollten auch nicht zu Veranstaltungen im Europäischen Parlament eingeladen werden, wie dies jüngst wieder passiert sei.
Die Anführer der BDS-Bewegung sollten nicht zu Veranstaltungen im Europäischen Parlament eingeladen werden, wie dies jüngst wieder passiert sei, sagte Erdan.
Organisatoren Die European Jewish Association (EJA) hatte die Veranstaltung gemeinsam mit prominenten Europaabgeordneten der konservativen und christdemokratischen Fraktionen im Parlament organisiert, unter ihnen Rumäniens früherer Staatspräsident Traian Băsescu und Polens ehemalige Außenministerin Anna Fotyga.
EJA-Chef Menachem Margolin wurde noch deutlicher als Erdan: »BDS ist verantwortlich für den überwiegenden Teil antisemitischer Vorfälle in Europa.« Wenn der Boykott-Bewegung nicht energisch entgegengetreten werde, sei jüdisches Leben hier nicht mehr möglich, so der Rabbiner.
Auch Elan Carr, der Beauftragte des US-Außenministeriums für den Kampf gegen Antisemitismus, hielt in Brüssel ein flammendes Plädoyer gegen die BDS-Bewegung, die nicht nur ein europäisches Problem sei, sondern auch in Amerika aktiv ist. Judenhass von der extremen Linken sei ebenso ein Problem wie der Antisemitismus von Rechtsextremen und von Islamisten.
Carrs europäische Amtskollegin Katharina von Schnurbein machte deutlich, dass die EU jeglichen Boykott Israels kategorisch ablehnt. Sie wies darauf hin, dass einige Länder bereits gesetzliche Maßnahmen gegen BDS beschlossen hätten. Auf Erdans Forderung nach einem Stopp der EU-Finanzspritzen für BDS-nahe Organisationen ging sie allerdings nicht ein.