Eine parteiübergreifende Gruppe britischer Parlamentarier hat vergangene Woche eine Untersuchung darüber initiiert, wie sich die BBC zu den Themen Juden und Israel verhält. Das Ergebnis der unabhängigen Prüfung soll dem öffentlich-rechtlichen Sender nächstes Jahr in Form eines Berichts mit Empfehlungen übergeben werden. Mit einer Unterschriftensammlung der britisch-jüdischen Wochenzeitung »Jewish Chronicle« (JC) hatten mehr als 10.000 Personen eine derartige Untersuchung gefordert.
Bei der Untersuchung soll die Vorgehensweise der BBC bezüglich Antisemitismus und Israel analysiert werden. Außerdem wollen sich die Parlamentarier ein Bild darüber verschaffen, wie der Sender Beschwerden aufnimmt und bearbeitet. Laut der britischen Rundfunkanstalt Office of Communication (Ofcom) neigt die BBC dazu, bei Anschuldigungen stets in die Defensive zu gehen.
ANGRIFF Die Berichterstattung der BBC geriet vor einem Jahr ins Rampenlicht, nachdem der Sender über einen antisemitischen Vorfall an Chanukka berichtet hatte. Rund 40 orthodoxe Juden saßen am 29. November 2021 in einem Chanukka-Party-Bus in der Londoner Oxford Street und wurden angegriffen. Eine mit einer Handykamera gemachte Aufnahme zeigt, wie eine Gruppe Männer die Fahrgäste antisemitisch beschimpft, den Hitlergruß und andere Gesten zeigt, dem Bus hinterherläuft, gegen die Scheiben schlägt und spuckt.
»Tikra mischehu, se dachuf!« (Ruf jemanden, es ist dringend!), sagt ein Mann aufgeregt auf Hebräisch ins Telefon. In dem Bericht »übersetzt« die BBC das Hebräisch falsch und berichtet, die jüdische Gruppe hätte die Männer mit antimuslimischen Rufen provoziert. Auf diese Weise machte die BBC die Opfer zu Angreifern.
Der Vorfall wurde sowohl von Londons Bürgermeister Sadiq Khan als auch von dem damaligen britischen Premierminister Boris Johnson verurteilt. Doch es dauerte Wochen, bis die BBC nach einem Protest vor ihrer Londoner Zentrale den Fehler eingestand und um Entschuldigung bat. Die Polizei konnte die Identität der Angreifer nie herausfinden.
UNPARTEILICHKEIT Im arabischsprachigen Programm der BBC soll es im Lauf des vergangenen Jahres zu weiteren Vorfällen gekommen sein, die gegen die Richtlinien der Unparteilichkeit des Senders, der gerade sein 100-jähriges Bestehen feiert, verstoßen haben. In einem Fall habe ein Journalist eine Terrorismus rechtfertigende Haltung gezeigt.
Unter den Mitgliedern des Parlamentsausschusses, die allesamt einen jüdischen Hintergrund haben, sind die ehemalige BBC-Chefin Ruth Deech und der frühere Vorsitzende des BBC World Service, David Triesman, sowie zwei Parlamentarier, die sich in der Vergangenheit oft mit Antisemitismus beschäftigt haben.