Ungarn

Haltet den Dieb!

Sieht sich als Opfer: Sandor Kepiro Foto: getty

Sandor Kepiro steht auf Platz eins der Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher, die vom Simon-Wiesenthal-Zentrum geführt wird. Seit vier Jahren versucht der weltweit als Nazijäger bekannte Efraim Zuroff, den heute 96 Jahre alten ehemaligen ungarischen Gendarmeriehauptmann für seine Taten strafrechtlich zur Verantwortung ziehen zu lassen.

Am 8. Oktober trafen sich die beiden in Budapest vor Gericht. Doch nicht Kepiro saß auf der Anklagebank, sondern Zuroff. Kepiro, selbst Jurist, hat ihn wegen Beleidigung verklagt, weil Zuroff seine Anschuldigungen gegen ihn nicht als Meinung vorgebracht, sondern als Tatsachen dargestellt habe. Es geht um das, was Anfang 1942 in der serbischen Stadt Novi Sad geschah, die kurz zuvor von Ungarn besetzt worden war. Am 21. Januar holten ungarische Polizisten Hunderte vor allem jüdische Familien aus ihren Häusern und brachten sie zum Verhör. Einige wurden nach Hause geschickt, die anderen am 23. Januar an den Donaustrand geführt, wo sie mit Maschinengewehren erschossen wurden. Ihre Leichen wurden in den Fluss geworfen, in dessen Eisdecke die Artillerie vorher ein Loch geschossen hatte. Mindestens 1.246 Menschen wurden an jenem Tag ermordet. Kepiro gibt zu, bei den Verhaftungen mitgewirkt zu haben, bestreitet jedoch die Beteiligung an Kriegsverbrechen.

Argentinien Eine juristische Besonderheit des Falles ist, dass den Tätern noch vor Kriegsende in ihrem eigenen Land der Prozess gemacht wurde. Im Dezember 1943 saßen 15 Offiziere wegen Verstoßes gegen den Ehrenkodex der ungarischen Streitkräfte auf der Anklagebank, da die Aktion nicht von höchster Stelle autorisiert worden war. Kepiro wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Als jedoch kurze Zeit später deutsche Truppen in Ungarn einmarschierten, wurden die Urteile aufgehoben. 1946 wurde Kepiro erneut verurteilt, doch da hatte er sich bereits nach Österreich abgesetzt, von wo aus er zwei Jahre später nach Argentinien floh.

Erst 1996 kehrte er nach Ungarn zurück, zehn Jahre später spürte Zuroff ihn durch einen Zufall in Budapest auf. Im Februar 2007 entschied ein Gericht, dass das Urteil von 1944 nicht vollstreckt werden könne, Kepiro sich aber einem neuen Verfahren stellen müsse. Dazu kam es jedoch nie. Stattdessen steht nun Zuroff vor Gericht.

»Dieser Prozess wäre nicht zustande gekommen, wenn die ungarische Justiz nicht im Fall Kepiro versagt hätte«, sagte Zuroff im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Ich weiß, dass sie in den letzten drei Jahren schwerwiegende Beweise gegen Kepiro zusammengetragen hat, doch aus unerfindlichem Grund hat sie sich bislang nicht zu einer Anklage entschließen können.«

Scharfe Kritik übt auch Boris Spiegel, Präsident des Weltkongresses des russischen Judentums und Vorsitzender von World Without Nazism (WWN), einer vor Kurzem gegründeten internationalen NGO, der antifaschistische Gruppen aus 26 Staaten angehören: »Wir können nicht akzeptieren, dass es 65 Jahre nach dem Beginn der Nürnberger Prozesse immer noch Naziverbrecher gibt, die für den Tod Tausender Menschen verantwortlich sind, sich aber mitten in Europa völlig sicher fühlen und sogar die europäische Justiz dazu benutzen, um sich an Antifaschisten zu rächen.«

Medien Zuroff möchte das jetzige Verfahren nutzen, um die Öffentlichkeit auf die ungesühnten Verbrechen Kepiros aufmerksam zu machen. Dass die ungarischen Medien nicht über den Fall berichten, ärgert ihn. »Vor vier Jahren war das ganz anders«, sagt er. Lediglich Reporter des oppositionellen Privatsenders ATV waren vor Ort. Sie wollten von Kepiro wissen, ob er seine Taten bereue. Er habe nichts zu bereuen, antwortete er, schließlich habe er lediglich »Partisanen identifiziert«.

Für Zuroff ist Kepiro »ein typischer osteuropäischer Kriegsverbrecher«. »Sie glaubten nicht unbedingt an die NS-Rassenideologie, waren aber in einer von Antisemitismus geprägten Gesellschaft aufgewachsen. Für sie war die Ermordung von Juden etwas ganz Normales, für das man sich nicht entschuldigen muss.« Das Urteil wird für Dezember erwartet.

Türkei

Berichte: Türkische Polizei verhaftet Mann, der Anschläge auf Juden plante

Der Tatverdächtige soll Befehle vom Islamischen Staat erhalten haben

 21.02.2025

London

Fasten und Beten gegen säkulare Bildung

Die ultraorthodoxe Gemeinde fürchtet die staatliche Kontrolle ihrer Schulen. Andere Juden finden gerade dies dringend nötig

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  17.02.2025

Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

Alon Ishay ist erleichtert, dass die Koalitionsgespräche der FPÖ vorerst gescheitert sind

von Alon Ishay  17.02.2025

USA

Die Hoffnung von San Francisco trägt Levi’s-Jeans

Dem beliebten Touristenziel geht es schlecht. Der Millionenerbe und Philanthrop Daniel Lurie soll es richten. Er ist der vierte jüdische Bürgermeister Westküstenmetropole

von Sarah Thalia Pines  16.02.2025

USA

Aus dem Schatten von Taylor Swift

Gracie Abramsʼ Stern scheint am Pophimmel gerade besonders hell. Das liegt nicht nur an ihrer besten Freundin

von Nicole Dreyfus  16.02.2025

Griechenland

Israelisches Paar in Athen angegriffen

Der Mann und die Frau sprachen auf der Straße Hebräisch – zwei arabischsprachige Männer attackierten sie mit einem Messer

 16.02.2025

Australien

Krankenpfleger drohen, israelische Patienten zu ermorden

Premierminister Anthony Albanese sagt, das Video sei »von Hass getrieben und widerlich.«

von Imanuel Marcus  14.02.2025

Polen

Ronald S. Lauder erhält Karski-Preis

Lauder wird für sein Engagement für die Erneuerung jüdischen Lebens in Polen und das Schoa-Gedenken geehrt

 13.02.2025

Künstliche Intelligenz

So Fake, aber so gut

Ein AI-generiertes, an den Antisemiten Kanye West adressiertes Video geht gerade viral. Und es ist eine Wohltat!

von Sophie Albers Ben Chamo  12.02.2025