Eines der berühmtesten Museen in New York steht nicht an der Fifth Avenue, nicht am Central Park, überhaupt nicht in Manhattan. Es befindet sich in Brooklyn, gleich neben dem Haus am breiten Eastern Parkway, wo einst der Lubawitscher Rebbe gewohnt hat. Sechs Stockwerke hoch erhebt es sich über seine Umgebung, ein schöner, luftiger, moderner Bau mit viel Stahl und Glas: das Jewish Children’s Museum.
Es ist das strahlende Vorzeigeobjekt von Tzivos Hashem, der Kinderorganisation der Lubawitscher Chassidim. Und man könnte sagen, dieses Museum sei die steingewordene Antwort auf einen Mord. 1994 wurde in New York ein 16-jähriger Talmudschüler namens Ari Halberstam von einem libanesischen Terroristen erschossen.
Drei Jahre zuvor hatten die berüchtigten antisemitischen Unruhen von Crown Heights getobt. Das Museum sollte Kindern zeigen, was Judentum bedeutet und so dem Hass seinen Giftzahn ziehen. 2004 wurde es eröffnet, im ersten Jahr kamen 250.000 Besucher. Aber die Ausstellung ist immer noch nicht ganz fertig. Das vierte Stockwerk soll erst Anfang April eröffnet werden.
Es kämen viele nichtjüdische Kinder, sagt Nissen Brenenson, der als Programmdirektor für die Ausstellung zuständig ist. Er ist ein junger chassidischer Jude mit lustigen Augen, Bart und schwarzem Anzug. Das Museum habe ein Abkommen mit den öffentlichen New Yorker Schulen getroffen, und so kämen im Rahmen des Unterrichts über Toleranz und multikulturelles Miteinander ganze Schulklassen hierher: schwarze Kinder, asiatische, hispanische – der übliche New Yorker Mix.
spielwiese Den Aufbau des Museums erklärt Brenenson von oben nach unten: Im sechsten Stock sind Büros. Im fünften befindet sich eine große Spielwiese und auf einer großen Terrasse eine Minigolfanlage. Sie zeigt alle Stationen eines jüdischen Lebens, von der Geburt über die Hochzeit unter der Chuppa bis zum Tod. Ein Stockwerk tiefer, im vierten also, geht es um jüdische Geschichte – aus chassidischer Sicht. Im dritten Stockwerk wird auf kindgerechte Art gezeigt, was gottgefälliges jüdisches Leben bedeutet, im zweiten Stock befinden sich Veranstaltungsräume.
Beginnt man die Tour im vierten Stock, sieht man Abraham und Sara als lebensgroße Plastikfiguren in ihrem Zelt sitzen. Weiter geht es auf den Spuren von Jakob und Josef und seinen Brüdern. Man sieht die zwölf Stämme Israels als Namen auf Zweigen in einem Plastikbaum. Die Szene mit der Bindung Isaaks fehlt – sie ist nicht jugendfrei. Der Auszug aus Ägypten wird dagegen als Multimediaereignis geschildert: Auf einer riesigen Landkarte erscheint die Wanderung des Volkes Israel durch den Sinai in Form von winzigen Lichtpunkten.
Weinfässer Danach geht es ohne chronologische Ordnung weiter. Ein Raum ist großen Gelehrten wie Raschi und Maimonides gewidmet. Der eine wird durch Weinfässer symbolisiert, der andere durch ein Stethoskop. Im nächsten Raum sieht man eine ziemlich gewagte Installation: Auf der einen Seite steht eine naturgetreue Nachbildung der sogenannten Klagemauer, in die Bildschirme eingelassen sind, die Szenen von der echten Kotel in Jerusalem zeigen – einschließlich die Vereidigung durch israelische Soldaten. Genau gegenüber steht ein dunkler Verschlag, der das Warschauer Ghetto symbolisieren soll.
»Uns ging es nicht darum, den Holocaust zu zeigen«, sagt Brenenson, »sondern vielmehr kleine Akte der Tapferkeit und des Glaubens im Holocaust.« Durch ein paar Gucklöcher auf der Höhe von Kinderaugen kann man also eine erleuchtete Bildergeschichte sehen, in der es darum geht, wie zwei Juden eine Torarolle ins KZ schmuggeln, damit sie am Schabbat aus ihr lesen können. Auf einer Tafel daneben steht, dass die Deutschen damals eineinhalb Millionen jüdische Kinder umgebracht haben.
Der letzte Raum im vierten Stock harrt noch der elektronischen Inbetriebnahme. Er sieht ungefähr so aus wie der Maschinenraum des Raumschiffs Enterprise: Hier sollen die Kinder spielend begreifen, dass man durch Toralernen, durch Halten der Mizwot und durch milde Gaben die Ankunft des Messias beschleunigen kann.
Zeichentrickfilme auf kleinen Bildschirmen erklären, wie die Welt im messianischen Zeitalter aussehen wird: kein Hunger mehr, keine Krankheiten, kein Krieg, kein Tod. Wenn man genügend elektronische Mizwot angesammelt hat, leuchtet eine Säule in der Mitte des Raumes.
Ein Stockwerk tiefer lernen die Kinder durch allerhand Computerspiele, dass man keine üble Nachrede üben, seine Lehrer mit Respekt behandeln und seinen Mitschülern mit Freundlichkeit begegnen soll. Wer sich an alle Regeln hält, bekommt 200 Punkte. Das schönste Ausstellungsstück im dritten Stock aber ist ein überdimensionierter Schabbattisch: Kinder können zwischen riesigen Challot, Schabbatlichtern und Kidduschbechern herumtollen.
Vorbehalte In einem Miniatur-Supermarkt dahinter geht es um die Kaschrut. Probleme hätten in diesem Teil des Museums weniger die nichtjüdischen, sondern die jüdischen Kinder aus liberalen oder säkularen Familien, erzählt Nissen Brenenson. Die Museumsführer werden deshalb instruiert, ja nicht wertend oder von oben herab zu sprechen. »Sie sagen also nicht: Wir halten uns an die Gesetze, sondern sie sagen: Diese Gesetze stehen in der Tora.«
Auf seine Art setzt das Haus Maßstäbe in der Museumspädagogik. Hier wird etwas Abstraktes plastisch und greifbar. Und so erfüllt es seinen Zweck. Es macht auf kindgerechte Weise deutlich, was religiöses Judentum bedeutet. Kaum vorstellbar, dass ein Kind, das einmal in diesem Museum war, hinterher zum ausgewachsenen Antisemiten werden könnte.
Jewish Children’s Museum, 792 Eastern Parkway
www.jcm.museum