Schweden

Hakenkreuz zu Davidstern

Der Skandal eilte der Schau schon voraus, bevor sie Malmö überhaupt erreichte. »Mus, Mouse, Maus« heißt eine aktuelle Wanderausstellung, die in Schweden erneut eine Debatte über Antisemitismus und Rassismus ausgelöst hat. Als Seriefrämjandet, die schwedische Comic-Gesellschaft, ihr Projekt im September auf Reisen schickte, war die Welt noch in Ordnung. Da hatten 24 namhafte skandinavische Comiczeichner gerade ihre Interpretationen zu Art Spiegelmans Comic-Roman Maus auf der Göteborger Buchmesse vorgestellt. Anschließend zog die Ausstellung weiter, erst nach Norrköping, dann nach Stockholm und schließlich nach Malmö, wo die Bilder jeweils in den öffentlichen Stadtbibliotheken gezeigt werden.

In Maus schildert Art Spiegelman in Fabelform die Überlebensgeschichte seines Vaters Vladek, wobei er Menschenkörpern symbolisch verschiedene Tiergesichter zuordnet: Juden als Mäuse, Deutsche als Katzen und Schweden als Rentiere.

Vorurteile Der jungen skandinavischen Comic-Avantgarde diente Spiegelmans Meisterwerk als Ausgangspunkt für eigene Reflexionen, um sich mit dem Thema Holocaust auseinanderzusetzen. So zeichnet der schwedische Künstler Nicolas Krizan in seinem Comic »Still wie eine Maus« das Porträt eines Heranwachsenden, der im Laufe der Zeit antijüdische Vorurteile dermaßen verinnerlicht, dass am Ende unter der Mausmaske ein Katzengesicht zum Vorschein kommt. Doch nicht alle Bilder nähern sich der Thematik auf ähnlich sensible Weise.

Vor allem zwei Comics sind es, die das Schwedische Komitee gegen Antisemitismus als eindeutig judenfeindlich einstuft. »Nothing changes« des Dänen Martin Flink besteht lediglich aus zwei Kästchen mit den Überschriften: »Europa 1940« und »Palästina 2010«. Darauf zu sehen sind ein SS-Mann, der einen KZ-Häftling schikaniert und ein israelischer Soldat, der sein Gewehr auf eine Familie richtet. Daneben die Frage: »Lernen wir wirklich aus der Geschichte?« Nicht weit davon entfernt hängt der Comic des Schweden Mattias Elftorp. »Das über den Holocaust wütende Kaninchen«, so der Titel. Dieses hoppelt frustriert durch die Welt und beschwert sich über die Aufmerksamkeit, die den Opfern der Schoa, »im Gegensatz zu anderen Opfergruppen«, zuteilwerde.

Schuldgefühle Da bringe der Künstler offenbar seinen ganz persönlichen Frust zum Ausdruck, meint Jonatan Leman vom Komitee gegen Antisemitismus. Denn immerhin hat es 50 Jahre gedauert, bis das Thema Schoa überhaupt den Weg in schwedische Klassenzimmer und Redaktionen fand. Dass der Vergleich zwischen Hakenkreuz und Davidstern in den vergangenen Jahren immer legitimer zu werden scheint, führt der jüdische Historiker vor allem auf Schuldgefühle der Gesellschaft zurück. »Die Gleichstellung entlastet das eigene Gewissen durch Projektion«, sagt Leman. Er findet es erschreckend, dass »eine Ausstellung im Jahre 2010 über die Schoa offenbar nicht ohne Verunglimpfung von Juden und Dämonisierungen von Israel auskommt.«

Dass es dabei nicht bleibt, hat Julia Romanowska am eigenen Leibe erfahren. Als Teenager emigrierte die heute 59-Jährige aus Polen nach Schweden. Die Musikerin reagiert deshalb sehr empfindlich, wenn es um antisemitische Propaganda in ihrer schwedischen Heimat geht, und hat spontan einen Facebook-Protest gegründet. Mit »Kein Antisemitismus in der Stadtbibliothek« will Romanowska auf die Unterstützung der Ausstellung durch staatliche Kulturinstitutionen aufmerksam machen. Denn dass es ausgerechnet die Lesesäle des Landes sind, die derlei Bilder unkommentiert zur Schau stellen, empfindet Julia Romanowska als »zynisch und unbehaglich«. »Es kann doch nicht sein, dass Politiker sich nicht einmischen, Kulturchefs keinen Grund zur Beunruhigung sehen und führende Medien sich hinter die Ausstellungsmacher stellen – nur weil sie auf Meinungsfreiheit pochen.«

Die Debatte um Meinungsfreiheit hält die Musikerin daher für irrelevant. »Keiner hat eine Zensur gefordert. Von mir aus soll jeder sagen, was er will. Die Frage ist nur, wo und wie das geschieht. Schließlich finanziere ich als Steuerzahler die Bibliothek mit«, ereifert sich Romanowska.

Was ursprünglich als Hommage an Art Spiegelman gedacht war, gerät nun zunehmend aus dem Ruder. Seit Anfang des Monats ist »Mus, Mouse, Maus« in Malmö zu sehen, wo es in den vergangenen Jahren immer wieder zu antisemitischen Übergriffen kam. Viele zweifeln daran, dass die kritischen Stimmen von Leman und Romanowska dort Gehör finden.

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025