Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) ist enttäuscht über das Ergebnis des Volksentscheids, die Zuwanderung in das Alpenland zu begrenzen. »Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht«, sagte SIG-Präsident Herbert Winter im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Der von der Initiative geforderte Weg ist nicht der richtige, um die Probleme, die es in unserem Land – wie in vielen anderen Ländern auch – gibt, zu lösen.«
In einer Volksabstimmung hatten sich die Schweizer am Sonntag mit hauchdünner Mehrheit dafür ausgesprochen, die Einwanderung in ihr Land streng zu kontingentieren. 50,3 Prozent der Wähler stimmten dafür, 49,7 Prozent dagegen. Wie das Schweizer Fernsehen mitteilte, entspricht das einer Differenz von rund 30.000 Stimmen. Eingebracht hatte die »Volksinitiative ›Gegen Masseneinwanderung‹« die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei SVP. Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses gingen in mehreren Städten des Landes Hunderte Bürger auf die Straße, um gegen die Entscheidung zu demonstrieren.
Appell Die jüdische Dachorganisation SIG hatte sich im Vorfeld sehr kritisch zu der Initiative geäußert. »Viele von uns Juden sind Nachkommen von Einwanderern, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten ihre Heimat verlassen und in der Schweiz ein neues Leben begonnen haben. Sie kamen nicht nur in die Schweiz, weil sie verfolgt wurden, sondern auch aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen«, schrieb SIG-Präsident Winter vergangene Woche in der Zeitschrift Tachles. Er appellierte an die Juden im Land, »Verantwortung zu übernehmen und ein überzeugtes Nein in die Urne zu legen«.
Gabrielle Rosenstein, die Präsidentin des Verbands Schweizerischer Jüdischer Fürsorgen, nannte das Abstimmungsergebnis »eine große Überraschung«. Die liberalen Kräfte im Land hätten »nicht damit gerechnet, dass die konservative Schweiz an der Urne eine Mehrheit findet«. Rosenstein sieht im Ergebnis des Volksentscheids allerdings auch ein Signal an die jüdische Gemeinde des Landes: Der Abstimmungssonntag werde für die jüdische Öffentlichkeit der Schweiz »hoffentlich ein Weckruf sein, sich vernehmbarer in den politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen«, erklärte sie.