Die Renaissance spricht Hebräisch» (Il Rinascimento parla ebraico). So heißt eine Ausstellung, die derzeit im Nationalmuseum für italienisches Judentum und für die Schoa (MEIS) in Ferrara zu sehen ist. Die von den Berliner Judaistik-Professoren Giulio Busi und Silvana Greco kuratierte Schau stellt die historische Entwicklung des jüdischen Lebens von der zweiten Hälfte des 14. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in einen anschaulichen Kontext und beleuchtet vor allem den offenen Kulturaustausch mit der christlichen Mehrheitsgesellschaft.
Angelpunkt der Renaissance in Italien war Florenz. Von da aus verbreitete sie ihre neuen geistigen und künstlerischen Konzepte in ganz Italien. Eng verbunden ist sie mit den Namen großer Persönlichkeiten wie Niccolò Machiavelli und Leonardo da Vinci. Nicht ganz so bekannt, doch durchaus präsent, waren jüdische Protagonisten.
Auch Miniaturen und andere Werke jüdischer Künstler sind in der Ausstellung zu sehen.
Zu Begegnungen kam es vor allem an den Höfen. Dort hieß man Juden als Ärzte, Gelehrte, Händler oder Verleiher durchaus willkommen – doch waren sie gleichzeitig das Objekt von Vorurteilen und Ausgrenzung. Florenz, Ferrara, Mantua, Venedig, Rom, Pisa oder Palermo waren die Schauplätze christlich-jüdischer Begegnung, eines gegenseitigen Beobachtens.
schriften «Sicher haben (die Juden) Dinge übernommen, imitiert, wiedergegeben», erklärt Kurator Giulio Busi. «Aber sie haben auch gegeben, beeinflusst, inspiriert.» Die christlichen Humanisten sammelten jüdische Schriften, tauchten mit der Unterstützung jüdischer Gelehrter in die heilige Sprache ein. Lorenzo de’ Medici, Federico da Montefeltro, Isabella d’Este, Giovanni Pico della Mirandola, Angelo Poliziano waren Mäzene, Sammler, Forscher und durchaus am Judentum interessiert.
Busi zitiert als beispielhaft die von Giovanni Pico im Jahr 1486 veröffentlichten Conclusiones und hebt hervor, wie sie von den Geheimnissen des jüdischen Mystizismus durchdrungen waren. Sie wurden zuerst verboten, dann auf Anordnung von Papst Innozenz VII. verbrannt. Busi schlussfolgert: «Die katholische Kabbala, kaum geboren, hatte sofort den Geruch von Häresie.»
Die Ausstellung im MEIS offenbart dennoch die Teilhabe der Juden an der fruchtbaren Renaissance-Kultur im Land. So findet man unerwartet hebräische Inschriften in den Werken bedeutender Maler. Beispielhaft ist das Bild «Die heilige Familie und die Familie des Täufers» (1504–1506), das Andrea Mantegna für seine eigene Totenkappelle in der Basilika von Sant’Andrea in Mantua malte. Auf dem Gemälde ist Josef mit einem Band zu sehen, auf dem in Hebräisch das Wort «Vater» steht.
«Die Ausstellungsidee entstand schon 2017. Doch gingen ihr 30 Jahre Studium voraus», betont Silvia Greco.
Auf dem Bild «Die Geburt der Jungfrau» (1502–1507) von Vittore Carpaccio ist eine hebräische Tabelle zu erkennen. Und auf dem Gemälde «Der zwölfjährige Jesus im Tempel lehrend» (1519–1525) von Ludovico Mazzolino sind es ebenso hebräische Inschriften.
Bücher Neben Gemälden mit jüdischem Bezug zeigt die Ausstellung jüdische Schriften wie den Führer der Unschlüssigen des mittelalterlichen jüdischen Gelehrten Maimonides in einer kürzlich vom italienischen Staat erworbenen Ausgabe der Familie Norsa von 1349.
Kuratorin Silvana Greco erläutert: «Die Ausgabe wurde 1516 von dem Bankier und Bücherfreund Mosche ben Netanel Norsa erworben und ist dann über die Jahrhunderte innerhalb der Familie weitergegeben worden.» Dies zeuge von dem «reichen Buchbestand der italienischen Juden in der Renaissance und der Fortdauer ihres kulturellen Vermächtnisses».
Auch Miniaturen und andere Werke jüdischer Künstler sind in der Ausstellung zu sehen, darunter der älteste italienische Aron Hakodesch. Er wurde für die Ausstellung leihweise aus Paris zurückgeholt. Gezeigt wird außerdem eine uralte Torarolle aus Piemont, die noch heute in Gebrauch ist.
«Die jüdischen Künstler dieser Epoche haben uns nur selten ihre Namen hinterlassen», sagt die Kuratorin Silvana Greco. «In der Ausstellung befindet sich zum Beispiel eine illustrierte Ausgabe des Tanach aus Venedig aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, mit Gravierungen des jüdischen Künstlers Mosche da Castellazzo. Aber auch in diesem Fall ist der Illustrator nicht verzeichnet.»
Dieses Geflecht wieder zu entwirren, bedeutet aufzuzeigen, welchen Anteil Juden an der italienischen Kultur hatten und wie oft der fruchtbare Austausch in bedeutende Werke mündete. Die Ausstellung zeigt, dass die jüdische Renaissance ein wichtiger Teil der italienischen Kulturgeschichte ist, die sogar für die Bildung der italienischen Identität entscheidend war. Zugleich weist sie darauf hin, dass die jüdisch-christliche Durchdringung nicht immer sanft und harmonisch vor sich ging.
Die Kuratorin ist davon überzeugt, dass «die Ausstellung auch für ein internationales Publikum interessant» ist.
dauerausstellung Mit dieser Ausstellung widmet sich das MEIS, nach der Eröffnungsausstellung über die ersten 1000 Jahre, die heute Teil der Dauerausstellung ist, einem weiteren wichtigen Kapitel der jüdischen Geschichte Italiens.
«Die Ausstellungsidee entstand schon 2017. Doch gingen ihr 30 Jahre Studium über die Interaktion zwischen Judentum und Christentum in Italien vom 14. bis 15. Jahrhundert voraus», betont Silvia Greco.
Die Kuratorin ist davon überzeugt, dass «die Ausstellung auch für ein internationales Publikum interessant» ist. So sind im Rahmen der Schau Veranstaltungen in Berlin, Paris und New York geplant. «Wir hoffen, dass auch die Ausstellung selbst an anderen Orten gezeigt werden kann – wenn auch die Problematik der internationalen Leihgaben natürlich sehr komplex ist.»
Die Ausstellung ist noch bis zum 15. September zu sehen.