Vogelgezwitscher tönt aus den Bäumen auf dem Vorplatz, von der nahen Gracht weht das Surren der Motorboote herüber. Unmittelbar um die Esnoga, die alte portugiesische Synagoge Amsterdams jedoch, klingt der Sommer in diesem Jahr anders: Bohrer und Presslufthämmer sind rund um den ausladenden Gebäudekomplex im Dauereinsatz. Von laufenden Arbeiten zeugen auch die Absperrgitter, die das Gelände umzäunen, und die Stützkonstruktionen aus Eisenstangen in den schmalen Durchgängen zwischen den alten Mauern aus braunem Backstein. »Wir sind schwer beschäftigt unter der Erde«, sagt Margriet Kotek, die Pressesprecherin der Synagoge.
Seit Jahresbeginn wird die legendäre Synagoge, die mit rund 800 Plätzen einst die größte der Welt war, restauriert. Wer die niedrigen Nebengebäude von außen sieht, versteht, warum: So manche Mauer wölbt sich hier dem Betrachter entgegen. Wie zahlreiche Häuser im Zentrum Amsterdams ist auch die Synagoge auf hölzernen Pfählen errichtet. Korrekturen am Fundament stehen da von Zeit zu Zeit ohnehin an. Auf einer Fläche von mehreren hundert Quadratmetern erneuern rund 20 Arbeiter die Fundamente und graben zudem die Kellergewölbe um einige Meter aus.
Dahinter stehen freilich nicht allein bautechnische Gründe: Die vom Architekten Elias Bouman nach einer Rekonstruktion des Jerusalemer Tempels entworfene Synagoge, die 1675 in Gebrauch genommen wurde und die deutsche Besatzung unbeschadet überstand, soll mit der Restaurierung auch einem deutlich größeren touristischen Publikum erschlossen werden.
Besucherzahlen Bereits heute zieht das Gebäude jedes Jahr rund 45.000 Besucher an. Wenn die Bauarbeiten Mitte 2011 abgeschlossen sind, sollen es 70.000 werden. Ihnen sollen dann auch die Kellerräume zugänglich sein, die derzeit umgewandelt werden: zu »Schatzkammern«, so Margriet Kotek. Eine Silberkollektion, eine Sammlung von Textilien und zeremonielle Objekte sollen dort ausgestellt werden. Einiges davon gab es bereits im benachbarten Jüdisch-Historischen Museum zu sehen, die meisten Gegenstände aber werden erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Mit Abschluss der Arbeiten wird die Esnoga damit auch in einem angemessenen Licht erscheinen. »Die portugiesische Synagoge beherbergt eine der herausragendsten Judaica-Sammlungen der Welt. Noch wissen zu wenige Menschen von der Existenz dieses kulturellen Schatzes«, heißt es im offiziellen Prospekt. Bekannt ist bisher vor allem die jüdische Bibliothek Ets Haim als weltweit älteste ihrer Art. Sie wird im Rahmen der Umbauarbeiten um ein Studierzimmer ergänzt. Der gesamte Gebäudekomplex steigt zu einem touristischen Schwergewicht auf: als Eckpfeiler im Rahmen eines Gesamtkonzepts, mit dem das Jüdisch- Historische Museum seit 2009 das ehemalige Judenviertel der Stadt präsentiert.
Dieser Status soll nicht zuletzt auch der kleinen, 600 Mitglieder zählenden sefardischen Gemeinde Amsterdams zugutekommen. Bereits in den 90er-Jahren musste sie feststellen, dass sie die Gebäude nicht mehr selbstständig instand halten konnte. Seither arbeitet sie eng mit dem Museum zusammen. Jacques Coronel, Vorsitzender der Portugiesisch-Israëlitische Kerkgenootschap Amsterdam, begrüßt daher die »gigantische Restaurierung«. Da diese aber nur die Nebengebäude betrifft, sind die Gottesdienste in der Esnoga nicht gefährdet. »Und die gehen natürlich vor.« Die Synagoge wird von Pessach bis zum Herbst regelmäßig genutzt. Da das Hauptgebäude weder über Heizung noch Elektrizität verfügt, weicht die Gemeinde in den übrigen Monaten auf die Wintersynagoge aus.
Dokumentation Die Restaurierung stellt jedoch nicht allein den Erhalt sicher, sondern bewirkt auch eine Dokumentation der eigenen Geschichte. Und das so detailliert, dass es sogar Eingeweihte überrascht: Konservatorin Mirjam Alexander erinnert sich an die Aufräumarbeiten in den Kellerräumen, die bereits Ende 2009 begannen: »Wir stießen auf alles Mögliche, auch auf Dinge, von denen wir nicht wussten, dass sie noch bestanden.« Die Gavetas genannten Privatkästchen in Synagogenbänken, Taschen mit Gebetsmänteln und -riemen, und selbst eine Haggada mit Weinspritzern und einem Stück Mazze. »Beides haben wir aufbewahrt«, so die Konservatorin.