Bis Anfang Dezember gelten in England strenge Corona-Beschränkungen, denn die Zahl der an Covid-19 Infizierten ist massiv gestiegen. Doch dies war kein Grund, den Mitzvah Day in diesem Jahr zu streichen, auch wenn einiges etwas anders über die Bühne gehen musste als sonst.
Bisher wurde am Mitzvah Day oft gemeinsam gekocht. Dies wollten sich die Mitglieder der Nordwestlondoner Pinner United Synagogue nicht nehmen lassen. So engagierte man eine professionelle Kochausbilderin, die auf »Zoom« live kochte. Ein paar Tage zuvor wurde eine Zutatenliste verschickt. Wer wollte, konnte am Sonntag gleich mitkochen oder sich die Aufnahme später anschauen und die Gerichte nachkochen.
Dieser Tage bringen Gemeindemitglieder das fertige Essen in Behältern zur Synagoge. Dort wird es kühl gelagert und einer Organisation übergeben, die Menschen in Not hilft. Martin Grossman, 67, der das Projekt organisiert hat, rechnet bis Ende der Woche mit rund 300 Mahlzeiten.
Stricken Auch die synagogeneigene Strickgruppe passte ihren Beitrag zum diesjährigen Mitzvah Day den Bedingungen unter Corona an: Sie strickte kleine Streifen und nähte an deren beiden Enden Knöpfe an. »Daran lässt sich die Mund-Nasen-Bedeckung leicht hinter dem Kopf befestigen und ist nicht, wie sonst oft, so unbequem um die Ohren gefesselt«, sagt Grossman. Wir wollen diese Streifen dem Krankenhauspersonal schenken.«
Auch der Soziologe Dan Ozarow, 41, musste seine Pläne umstellen. Seit er vor mehr als 20 Jahren als Jugendlicher an einem Konflikttransformationsprogramm zwischen Juden, Muslimen und Christen im israelisch-palästinensischen Friedensdorf Wahat-Al-Salam – Neve Shalom teilnahm, weiß er um die Bedeutung von Mahlzeiten. »Wir stritten uns den ganzen Tag, aber als wir uns abends zum Essen zusammensetzten, wurden alle Gespräche plötzlich friedlich und freundschaftlich.«
JCare, die größte jüdische Organisation für Pflegedienste und Heime in London, rief zum Mitzvah Day auf, Pflanzen zu spenden.
Als kürzlich in Ozarows Wohnort nördlich von London eine islamische Gemeinde ein Gebäude bezog, um darin eine Moschee zu eröffnen, wusste er sofort, was zu tun war. Weil ein gemeinsames Essen wegen Corona nicht möglich war, schlug er vor, dass die örtliche jüdische Gemeinde und die Moschee am Mitzvah Day über eine Stiftung gemeinsam Essen an Bedürftige verteilen. Die Idee wurde verwirklicht, und darüber hinaus halfen Mitglieder der jüdischen Gemeinde bei der Arbeit im neu angelegten Garten der Moschee.
Auf Video organisierte Ozarow zum Mitzvah Day, gemeinsam mit Gratitude, einer Organisation vor Ort, die Mahlzeiten an Bedürftige verteilt, Willkommensbotschaften verschiedener Religionsgemeinden an die neuen Nachbarn. Auch eine Kirche und die Leitung der örtlichen Hare-Krishna-Gemeinde beteiligten sich an der Initiative. »Wenn die Pandemie vorbei ist, wollen wir aber unbedingt das gemeinsame Essen nachholen«, sagt Ozarow.
Sozialprogramme Um Essen ging es auch im Londoner jüdischen Kulturzentrum JW3. Dort sammelte man am Mitzvah Day für eine Tafel. »Die Lebensmittel erhalten Bedürftige in Quarantäne oder Menschen, die durch die Pandemie verarmt sind«, sagt Jacob Forman, der bei JW3 für die Sozialprogramme zuständig ist.
JCare, die größte jüdische Organisation für Pflegedienste und Heime in London, rief zum Mitzvah Day auf, Pflanzen zu spenden. »Damit sollen Wintergärten für Heimbewohner geschaffen werden«, sagt JCare-Mitarbeiterin Judith Flacks. Man wolle den älteren Menschen, die wegen der Pandemie nicht nach draußen können, die Natur ins Haus bringen. Außerdem sammelten Jugendgruppen Lebensmittel und Spenden für JCares Zentrum für Schoa-Überlebende.