Fünf Minuten mit

Guillermo Borger

Guillermo Borger Foto: Sönke Tollkühn, Jüdisches Museum Berlin

Herr Borger, vor 16 Jahren wurde ein Sprengstoffanschlag auf das Büro der Asociación Mutual Israelita Argentina (AMIA) verübt. Warum wurden die Täter nie gefasst?
Es war das größte Attentat, das es jemals in Argentinien und in ganz Südamerika gegeben hat. 85 Menschen starben, und es waren mehr als 300 Verletzte zu beklagen. Der Ermittlungsrichter war ein junger Mann mit wenig Erfahrung. So wurden viele Fehler gemacht.

Aber es gibt Verdächtige.
Einer der Hauptverdächtigen ist Carlos Telledin. Er hat den Wagen übergeben, in dem die Autobombe versteckt war. Der Fahrer des Wagens hat sich selbst in die Luft gesprengt.

Aber Telledin wurde freigelassen, die Ermittlungen für ungültig erklärt.
Das Gericht hat die Einstellung des Verfahrens mit Ermittlungsfehlern begründet und ihn freigelassen. Wir haben dagegen protestiert und aufgrund unser Aktivitäten wurde dann gerichtlich geklärt, dass es sehr wohl stichhaltige Beweise für seine Tatbeteiligung gibt und die Ermittlungen doch nicht so schlecht waren. Uns hat inzwischen auch das Oberste Gericht Argentiniens Recht gegeben. Das Verfahren wurde wiederaufgenommen, die erneute Inhaftierung des Tatbeteiligten ist beantragt. Auch wenn es schon 16 Jahre gedauert hat, vertrauen wir der Justiz unseres Landes.

Sind die Namen weiterer Täter bekannt?
Von Telledin steht zweifelsfrei fest, dass er in den Anschlag verwickelt war. Aber wir wollen wissen, wem er das Fahrzeug übergeben und wer die Bombe gebaut hat. Die Hintermänner des Anschlags kommen aus dem Iran. Der frühere argentinische Staatspräsident Nestor Kirchner hat vor den Vereinten Nationen nachdrücklich die Festnahme und die Auslieferung von sechs iranischen Staatsbürgern gefordert. Mit Interpol-Haftbefehl werden gesucht: Verteidigungsminister General Ahmad Vahidi, der ehemalige Sicherheitsminister Ali Fallahijan und der frühere Kommandant der Revolutionsgarde, Mohsen Rezai. Außerdem die damals in der Botschaft in Buenos Aires tätigen Iraner Mohsen Rabbani und Ahmad Reza Ashgari sowie der ehemalige Sicherheitschef der Hisbollah, der Libanese Imad Moughnieh.

Wurde in Argentinien alles getan, um die Schuldigen zu ermitteln?
Nein. In der Vergangenheit gab es innerhalb des Staatsapparates und der damaligen Regierung Aktivitäten, um die Aufklärung dieses feigen Anschlags zu verhindern.

Trifft dies auf die heutige politische Führung auch zu?
Nein, absolut nicht. Die derzeitige Regierung – und auch die Vorgängerregierung – tut alles in ihrer Macht Stehende, um die Missstände der vergangenen 16 Jahre zu beheben, damit die Verbrechen aufgeklärt werden.

Hat die Angst nach dem Anschlag dazu geführt, dass Juden, die ja seit rund 140 Jahren in Argentinien leben, ausgewandert sind?
Einige sind weggegangen. Aber die Attentäter wollten die jüdische Gemeinschaft treffen und uns vernichten. Das ist ihnen nicht gelungen. AMIA existiert weiterhin. Durch die Wirtschaftskrise vor zehn Jahren sind viele jüdische Argentinier verarmt, und wir mussten sehr viel Geld ausgeben, um unsere armen Gemeindemitglieder finanziell zu unterstützen. Nachdem sich die wirtschaftliche Situation verbessert hat, kehren die ersten wieder zurück.

Fühlen Sie sich in Argentinien zu Hause?
Ja, ich trage meine Kippa öffentlich. Es gibt in Argentinien eine unbedeutende antisemitische Minderheit. Wir fühlen uns weitgehend akzeptiert. Rund 250.000 Juden leben im Land, es gibt 150 jüdische Einrichtungen, 54 Gemeinden und 22.000 Jugendliche, die jüdische Schulen besuchen.

Fühlen Sie sich wieder sicherer in Argentinien?
Der Staat unternimmt einiges gegen Rassisten und Antisemiten. Auch eine Antidiskriminierungsstelle gibt uns das Gefühl von Sicherheit. Aber natürlich bereiten uns die Aktivitäten judenfeindlicher Gruppen Sorgen. Was aber wesentlich ist: Die Mehrheit der Bevölkerung hat verstanden, dass der Anschlag auf die AMIA nicht nur gegen die jüdische Gemeinschaft, sondern gegen alle Menschen in Argentinien gerichtet war.

Guillermo Borger ist Präsidenten der Asociación Mutual Israelita Argentina (AMIA).

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025