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Schweiz

Grüezi und Schalom

Für die einen ist die Schweiz ein Heidiland mit duftenden Wildwiesen, klaren Bächen und imposanten Bergen. Für die anderen ist sie vor allem ein sicheres und sauberes Land mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten und einer gelungenen Mischung aus Kultur und wunderschöner Natur. Die Eidgenossen gelten als höflich und weltoffen, Attacken oder Überfälle auf offenen Straßen braucht man – bis auf seltene Ausnahmen – kaum zu befürchten.

Nicht ohne Grund steht die Schweiz bei Juden aus aller Welt schon seit Jahren ganz oben auf der Liste der beliebten Urlaubsziele, besonders während der Sommermonate, inzwischen aber auch über das gesamte Jahr. Diese Beliebtheit vor allem unter orthodoxen Touristen führt mitunter zu bemerkenswerten Einfällen seitens der Gastgeber. So werden mancherorts bereits stillgelegte Hotels im Sommer zu jüdischen Gästehäusern und Apartments mit koscheren Küchen, Gebets- und Bademöglichkeiten umfunktioniert.

BERGE Besonders die Schweizer Alpen haben es den jüdischen Touristinnen und Touristen aus dem In- wie aus dem Ausland angetan. Beliebt sind bestimmte Anlaufziele wie Engelberg, das Engadin, Crans-Montana, das Saastal, Arosa und natürlich Davos, das seit Jahrzehnten ganz oben auf der Beliebtheitsskala steht.

Jüdische Feriengäste bringen im Sommer Leben in diese Regionen, die im Winter als Ski-Orte bekannt sind. In Davos gehören Großfamilien, die sich nach orthodoxen Regeln kleiden, längst zum normalen Anblick. Egal, ob auf den Plätzen, Straßen oder Wanderwegen, überall trifft man sie an. Viele reisen traditionell nach dem Fastentag Tischa beAw an, in diesem Jahr war dies der 27. Juli.

Schätzungen zufolge leben zurzeit rund 18.000 Juden in der Schweiz, dies sind lediglich 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das Angebot an koscheren Einrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten in der gesamten Schweiz kann sich durchaus sehen lassen – zumindest in den größeren Städten wie Basel, Zürich oder Genf. Davon profitieren jüdische Touristen.

supermärkte Auch in den Bergregionen gibt es entsprechende Angebote, zum Beispiel koschere Abteilungen in Supermärkten – wie etwa in den meisten Filialen von Coop und Spar. Manche lokalen Supermärkte platzieren koschere Produkte gleich am Eingang, zum Beispiel koschere Weine und aus Israel importierte Cracker oder Gläser mit Gefilte Fisch. Auch Catering-Unternehmen haben sich auf die jüdischen Sommergäste eingestellt und bieten koschere Menüs zur Auswahl an. Viele Bergorte könnten inzwischen ohne jüdische Feriengäste kaum überleben.

Zum Schweizer Zentrum für jüdische Touristen aus aller Welt hat sich Davos entwickelt. Die höchstgelegene Stadt Europas gilt mittlerweile als heimliche jüdische Sommerhauptstadt, deshalb ist auch schon mal scherzhaft vom »höchstgelegenen Schtetl« Europas die Rede. In den Sommerwochen beträgt der Anteil der Juden unter den Touristen rund 20 Prozent. Schätzungen zufolge handelt es sich um bis zu 2000 jüdische Besucher, die alljährlich über die Sommerferien den 11.000-Seelen-Ort in den Bergen aufsuchen.

Die besondere Attraktivität des historischen Luftkurorts ist durch die Infrastruktur geprägt, die auf eine lange Geschichte bereits früherer jüdischer Gemeinden am Ort zurückgeht. Neben einem umfassenden kulinarischen Angebot und Gebetsräumen in einigen Hotels gibt es auch eine renovierte Mikwe und einen jüdischen Friedhof.

Von den Touristen in Davos sind im Sommer rund 20 Prozent jüdisch.

Bedeutende chassidische Rabbiner aus Antwerpen, Israel oder New York halten sich während der Sommermonate in Davos auf. Ihre Anwesenheit wirkt auf orthodoxe Gäste aus aller Welt wie ein Magnet. Observante Sommerurlauber haben die Möglichkeit, während der Ferien an sechs unterschiedlichen Orten in der Stadt in den Bündner Bergen ihre täglichen Gebete zu verrichten.

LUFTKURORT Die Präsenz jüdischer Gäste in Davos geht unter anderem auf die 1911 eröffnete jüdische Heilstätte »Etania« zurück, in die einst jüdische Lungenpatienten zur Gesundung kamen. Das Hotel im Luftkurort Davos wurde auch weitergeführt, als es längst keine Tuberkulosekranken mehr gab. Im Jahr 2000 musste es seine Pforten allerdings schließen. Das einzig ganzjährig koschere Hotel war inzwischen deutlich in die Jahre gekommen und rentierte sich nicht mehr. In den vergangenen Jahren gab es mehrmals Pläne, aus dem Etania wieder ein jüdisches Kurhotel zu machen, doch bisher wurde keiner umgesetzt.

In der guten Luft der Gegend, die auch für ihre ausgebauten Wanderwege bekannt ist, können die Gäste buchstäblich durchatmen. Selbst weniger geübte Kraxler kommen auf ihre Kosten. Außerdem gibt es einen Seilpark, und besonders Mutige können sogar Fallschirm springen. In erster Linie ist alles familientauglich ausgerichtet. Insbesondere für die kinderreichen jüdischen Familien ist dies ein Grund, im Urlaub immer wieder nach Davos zu kommen. Zusammen mit den anderen jüdischen Gästen aus dem Ausland bilden sie eine große Gemeinschaft, was bei vielen dazu beiträgt, dass sie sich wohlfühlen. Viele schätzen die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und neue Bekanntschaften mit anderen jüdischen Urlaubern zu schließen.

Neben den internationalen jüdischen Gästen kommen etliche vor allem aus dem Großraum Zürich. Nicht zuletzt wegen der relativen Nähe und der guten koscheren Infrastruktur zieht es auch eher säkulare jüdische Touristen aus der Limmatstadt in die Berge, um dort ihre Ferien oder zumindest lange Wochenenden zu verbringen.

Umgekehrt ist aber auch Zürich ein beliebtes Urlaubsziel für jüdische Besucher aus aller Welt. Sommerstädte-Trips lassen sich hervorragend mit einem Urlaub in den Bergen verbinden. Wer mag, findet neben der Möglichkeit zum Shoppen – nicht nur in Zürichs exklusiver Bahnhofsstraße – auch ein Angebot an Hotels, koscheren Restaurants, Caterings und sogar einen jüdischen Food-Truck.

DORFSEELI Wer dann zurückkehrt nach Davos, freut sich auf einen beliebten Treffpunkt: das Dorfseeli, wie der künstlich angelegte See im Park liebevoll genannt wird. Während die illuminierte Wasserfläche bunt leuchtet, sitzen auf den Bänken ringsum viele orthodoxe Juden in Gespräche vertieft. Man lacht und gestikuliert, die Stimmung ist entspannt.

Ein jüdisches Ehepaar aus Basel erzählt, dass es seit Jahren in Davos Ferien mache. Ein Grund dafür sei, dass der Ort vor allem frommen Juden die Möglichkeit biete, ihre Religiosität offen auszuleben. In jeder Hinsicht. So werden im Sommer in Davos an Freitagen durchschnittlich 1500 Challot bestellt.

Die Einheimischen sind den Juden gegenüber grundsätzlich freundlich gesinnt, Ausnahmen gibt es natürlich immer. Im Sommer 2019 wurde anlässlich einer Tora-Einbringung im Gebetsraum eines Hotels zu einer feierlichen Prozession durch Davos geladen. Rund 2000 überwiegend orthodoxe Juden hatten Schätzungen zufolge an dem ausgelassenen Umzug teilgenommen, über zwei Stunden lang wurde gesungen und getanzt. Auch viele Einheimische nahmen daran teil.

hasskommentare Trotz der guten Stimmung kam es anschließend zu Hasskommentaren in den sozialen Medien. Solche Verstimmungen zwischen der Bevölkerung oder Vermietern auf der einen und den jüdischen Gästen auf der anderen Seite gibt es immer wieder. So wies erst vor wenigen Wochen ein Kölner Unternehmen Buchungsanfragen jüdischer Familien für Gruppenunterkünfte im Kanton Graubünden ab und schrieb zur Begründung: »… aufgrund unserer Erfahrungen im Umgang mit unseren Häusern (Schäden und Beschwerden) können wir euch leider kein Mietangebot machen«.

Die Anwesenheit bedeutender Rabbiner wirkt auf orthodoxe Gäste wie ein Magnet.

Insgesamt ist jedoch zu beobachten, dass sich seit einigen Jahren vieles zum Guten verändert. Anteil daran hat das Programm »Likrat Public«, das vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) eigens für Davos entwickelt wurde, um Missverständnisse zu vermeiden und die interkulturelle Verständigung zu fördern.

dialog Auch in diesem Sommer organisiert Likrat Public das bekannte Dialogprojekt zum jüdischen Tourismus in Schweizer Ferienorten. Das Projekt soll den Dialog zwischen den Einheimischen und den Gästen fördern und kulturellen Missverständnissen vorbeugen. In diesem Jahr sind Vermittlerinnen und Vermittler, die sogenannten Likratinas und Likratinos, seit dem 31. Juli rund drei Wochen lang in Davos und dem Saastal im Einsatz.

»Likrat Public hat sich in den letzten Jahren insbesondere in Graubünden und im Wallis etabliert. Die jüdischen Gäste und unsere Partner in Hotellerie und Tourismus schätzen unser Projekt sehr, deshalb führen wir das Sommerprojekt dieses Jahr bereits zum fünften Mal durch«, sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner.

Und so hofft man in den meisten Touristenorten der Schweizer Alpen, dass die jüdischen Besucher auch in Zukunft in großer Zahl anreisen.

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