Athen

Griechen feiern Urteil gegen Neonazi-Partei

Zehntausende demonstrierten am Mittwoch vor dem Gerichtsgebäude in Athen gegen die Partei Goldene Morgenröte. Foto: imago images/ZUMA Wire

Führende Mitglieder der griechischen Neonazi-Partei Chrysi Avgi (»Goldene Morgenröte«) sind am Mittwoch von einem Gericht in Athen der Bildung einer kriminellen Bande für schuldig befunden worden. Unter den Verurteilten ist auch der Gründer und langjährige Vorsitzende der Partei, Nikolaos Michaloliakos. Auch zahlreiche weitere ehemalige Abgeordnete von Chrysi Avgi wurden verurteilt. Das Strafmaß soll in den kommenden Tagen verkündet werden

Unter den insgesamt 68 Angeklagten wurden 40 für schuldig befunden. Auch 18 ehemalige Parlamentsvertreter der rechtsextremen Partei saßen auf der Anklagebank. Der Prozess dauerte insgesamt fünf Jahre. Als das Urteil verkündet wurde, brandete vor dem Gerichtsgebäude frenetischer Applaus auf. Dort hatten sich Zehntausende eingefunden, um den Richterspruch zu verfolgen.

REAKTIONEN Der Zentralverband der jüdischen Gemeinden in Griechenland (KIS) nannte das Urteil in einem Statement »historisch«. Es stärke die Demokratie und entziehe Neonazi-Organisationen jegliche Legitimation. »Das Gerichtsurteil von heute geht der Wahrheit auf den Grund: Es zeigt das Ausmaß der Gefährdung auf, welche von Neonazi-Organisationen ausgeht, die den Patriotismus ausschlachten, um Hass zu verbreiten.«

Man dürfe aber bei aller Freude nicht vergessen, dass Chrysi Avgi die Unterstützung Tausender Griechen gefunden habe. Man müsse daher weiter wachsam bleiben, hieß es in dem Statement des jüdischen Dachverbandes.

Der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, Mosche Kantor, erklärte, das Gericht habe die Fakten analysiert und anerkannt, »dass die Neonazis ganz einfache Verbrecher sind.« Der heutige Tag, so Kantor, sei ein Sieg für die Demokratie und eine Niederlage für Hass und Intoleranz.»
Auch andere Länder sollten jetzt die Lehren daraus ziehen und rechtsextremistische Parteien verbieten, forderte er.

»Der langen demokratischen Tradition unseres Landes sind Phänomene extremer politischer Gewalt fremd«, sagte Griechenlands Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou, selbst eine ehemalige Richterin. Das Urteil beweise, dass sich der Staat wehren könne. Auch Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis wertete das Urteil als Sieg für die Demokratie. »Der Kampf gegen Rassismus und Hass gegen Andersdenkende dauert an. Es liegt in unserer Hand, dass die Demokratie jeden Tag siegt.«

SYMBOLE Im Jahr 2014 waren Anhänger von Chrysi Avgi vor dem Parlament in Athen in schwarzen Hemden aufmarschiert, hatten das Horst-Wessel-Lied – die Parteihymne der NSDAP – gesungen und den Hitlergruß gezeigt. Zahlreiche Mitglieder gaben sich öffentlich als Antisemiten zu erkennen und verbreiteten Verschwörungstheorien. 2016 sagte der damalige Abgeordnete Christos Pappas, Israel sei der »ewige Feind Griechenlands und der Orthodoxie«.

Auslöser für den Prozess gegen die Partei war die Ermordung des linken Aktivisten und Rappers Pavlos Fyssas im September 2013. Der Mord war von einem Chrysi Avgi-Mitglied verübt worden. Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass die Parteiführung die Tat entweder angeordnet oder zumindest von den Mordplänen Kenntnis gehabt hatte. Jetzt wurde der Attentäter wegen Totschlags verurteilt und 15 Mitglieder der Partei der Beihilfe dazu für schuldig befunden.

Zur Symbolfigur wurde während des Prozesses die Mutter des toten Rappers: Magda Fyssa war an so gut wie jedem der insgesamt rund 450 Verhandlungstage im Gericht. Nach dem Urteil verließ sie den Saal mit erhobenen Fäusten und rief immer wieder den Namen ihres Sohns.

Parteigründer Michaloliakos fehlte bei der Verkündung. Er hatte den Prozess als politische Verschwörung abgetan. Er selbst sei kein Nazi, sondern lediglich Nationalist. Vor und nach seiner Festnahme 2013 hatte Michaloliakos vor laufenden Kameras jedoch immer wieder auf griechisch »Sieg Heil« gerufen. Auch die Flagge der Partei, das antike Symbol des Mäanders, erinnert an die Hakenkreuzfahnen des Dritten Reichs.

GEWALTAKTE Darüber hinaus wurde den Angeklagten illegaler Waffenbesitz und die Verübung gewalttätiger Aktionen zur Last gelegt, darunter Angriffe auf Migranten und auf die Kommunistische Partei in Griechenland.

Chrysi Avgi hatte sich in ihrer Hochphase während der Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem durch antisemitische, rassistische und fremdenfeindliche Hetze hervor.

Von 2012 bis 2019 saßen Vertreter der Partei im griechischen Parlament; eine Zeitlang war die Gruppierung dort sogar drittstärkste politische Kraft. Bei der Parlamentswahl 2019 gelang es ihr dagegen nicht mehr, die Dreiprozenthürde zu überspringen. (mit dpa)

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025