Das Universum jüdischen Wissens wird jetzt radikal demokratisiert. »Akadem« schert sich nicht um unterschiedliche Ausrichtungen. Akadem lässt sie alle zu Wort kommen. Im Internet gibt es eine Menge Webseiten zur Vielfalt jüdischen Wissens. Doch als einzige Plattform versammelt Akadem Informationen aus allen Verästelungen der jüdischen Welt – und das multimedial, aktuell und professionell.
Soweit das Ideal. Vorläufig ist Akadem noch ein exklusiv französischsprachiges Angebot mit vereinzelten Beiträgen in Hebräisch und Jiddisch. Es wird je zur Hälfte vom Jüdischen Sozialfonds (FSJU) und der Schoa-Stiftung (Fondation pour la Mémoire de la Shoah) finanziert. Die Redaktion sitzt im 13. Pariser Bezirk, in einem Viertel mit jüdischer Infrastruktur.
Redaktionsleiter Laurent Munnich hat Akadem 2005 gegründet. Der 58-Jährige ist Journalist, er hat fürs Radio gearbeitet und Konzerne in Sachen Internet und Multimedia technisch beraten. Unter seinen Kunden waren der Supermarktriese Carrefour und »andere langweilige Konzerne«, sagt er. Als er den FSJU-Vorsitzenden David Saada kennenlernte, entstand die Idee für Akadem.
Novum Munnich hat tatsächlich Neues geschaffen. Weder an anderen Orten in Europa, noch in Israel oder den USA gibt es ein vergleichbares multimediales Medium. »Am Anfang wurden wir kritisch beäugt. Es hieß: ›Wenn ihr den X von der Organisation Y zu Wort kommen lasst, dann mache ich nicht mit!‹ Und wir sagten: ›Gut, dann lass es!‹«
Heute zählt Akadem zusammen mit den Religionsseiten »Melamed« und »Sefarim« täglich bis zu 10.000 virtuelle Besucher. Die Hälfte davon kommt aus Frankreich, rund 20 Prozent sind aus Israel und bis zu 15 Prozent aus Quebec. Den stärksten Zuwachs registriert Akadem aus dem französischsprachigen Afrika. Nicht alle Nutzer sind jüdisch, es gibt auch einen festen Stamm christlicher Interessenten.
Binnen sechs Jahren hat die Redaktion 2.100 Videokonferenzen übertragen und 900 eigene Beiträge produziert. Stark nachgefragt sind Konzertmitschnitte und aktuelle Debatten, wie die um die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit.
User Ein Stammpublikum verfolgt regelmäßig die Religionsvideos. Juden in der Diaspora diskutieren die Beiträge. Ein User schrieb der Redaktion: »20 Jahre war ich nicht mehr in der Synagoge. Durch Akadem habe ich wieder Kontakt zu meiner Religion!«
Die Idealisten von Akadem sitzen meist zu fünft in ihrem schmucklosen Büro im Parterre hinter aufgeklappten Laptops. Zum erweiterten Team gehören ein Comiczeichner und ein Literaturkritiker. Am Ende des schlauchartigen Raumes stehen Schreibtisch, Lichtanlage und Videokamera. Bevor Akadem auf Sendung geht, wird eine Lage Stoff entrollt und als Bildhintergrund aufgebaut.
Ruben Honigmann betreut die »Melamed«-Seite. Die dort archivierten Paraschot-Texte verzeichnen 100.000 Klicks. Das macht ihn stolz. »Ich habe das Gefühl, etwas Nützliches zu tun. Akadem ist nicht missionarisch.Wir halten nichts von elitärem Wissen«, so der 28-Jährige. »Wir erreichen auch Menschen, die nie in eine Synagoge gehen würden.«
Honigmann hat in Straßburg die Jeschiwa besucht und dort einen Master gemacht. Seit viereinhalb Jahren arbeitet er als Redakteur bei Akadem. »Ich hatte die Nase voll vom Universitätsbetrieb«, sagt er. »Dort geht es um Posten und Karriere. Die Uni ist ein Friedhof des Wissens.«
Bis auf Weiteres gibt es Akadem nur auf Französisch. Möglicherweise kommt irgendwann eine englischsprachige Seite hinzu. Munnich hat es damit aber nicht eilig. Andere dürfen seinem Beispiel gern folgen und eine eigene Plattform gründen: »Das jüdische Wissen ist ein verborgener Schatz.«
www.akadem.org
www.melamed.fr
www.sefarim.fr