Es ist still, nur ein paar Vögel zwitschern in den dicht stehenden Bäumen entlang einer kleinen Landstraße am Rande Londons. Plötzlich schreit in einiger Entfernung jemand: »Ja, super, hau den Ball rüber!« Ein Stück weiter eine Einfahrt, an deren Seiten zwei blaue Fahnen mit weißer Aufschrift wehen: »MIB CAMP« steht darauf, das »a« ist als Davidstern geschrieben. Wer sich dem länglichen Ziegelhaus nähert, erkennt rasch, dass der versteckte Ort das Zuhause verschiedener Londoner Teams des jüdischen Sportvereins Maccabi ist. Hinter dem Haus, das auf einem kleinen Hügel steht, erstrecken sich riesige Spielfelder. Darauf trainieren vier Teams.
Coach Vor einem der Spielfelder steht Joel Nathan und blickt stolz auf eine Gruppe junger Männer, die von einem untersetzten Coach trainiert werden. »Diese Mannschaft ist unser Goldpotenzial in Jerusalem«, sagt Nathan, der als Manager bei einer Finanzfirma arbeitet. Nathan ist einer der wenigen hier, die kein blaues, sondern ein rotes Trikot tragen, darauf das Emblem eines Union Jack in Form eines Davidsterns.
Nach seinem Arbeitstag verwandelt sich Nathan zum Teammanager von Maccabi GB. Er ist verantwortlich für die 390 Athleten, die der Klub Anfang Juli zur Maccabiah nach Israel schicken wird. »Es sind nicht so viele, wie ich wollte«, entschuldigt sich Nathan. »Geplant waren an die 450.« Aber es sei eben eine Frage der Kosten. Für manche sind sie schlichtweg zu hoch.
Zum britischen Team, das in Jerusalem antritt, gehören Top-Athleten wie die beiden U18-Schwimmer Eli Grant und Ewan Taylor (beide 15) sowie der Sprinter Eden Davis (18). Neu sind dieses Jahr Teilnehmerinnen in der Rhythmischen Sportgymnastik, im Lacrosse sowie im Springreiten.
Hinzu kommen die Fußballteams, von denen sich Nathan Medaillen verspricht, denn viele der Herren spielen jede Woche in Amateurligen, und die Trainer haben Premier-League-Erfahrung. Ja sogar die Senioren hätten eine Chance, sagt er. Und es gibt noch eine Überraschung: Zu dieser Makkabiade stellen sie neben der Herrenfußballmannschaft zum ersten Mal auch ein Damen- und ein Mädchenteam.
Damenteam-Manager Trevor Racke erklärt, dass sie vorher nie genug Mitglieder für beide Teams zusammenbekamen. Doch diesmal sei es anders, obwohl es wirklich knapp geworden sei, denn sechs seiner Spielerinnen litten an leichten Verletzungen.
Training Direkt neben den Männern trainieren die Frauen gerade Eckbälle und versuchen sich im Elfmeterschießen. Eine von ihnen ist Nicola Waxler (33). Auch sie hat sich eine leichte Verletzung zugezogen, am linken Oberschenkel. Der Vereinsphysiotherapeut legt ihr gerade einen Verband an.
»Wir trainieren verdammt hart, inzwischen dreimal die Woche«, erzählt die Sportlehrerin, die seit ihrem zehnten Lebensjahr Fußball spielt. Ihr Vorbild sei schon immer David Beckham gewesen, weil er aus Essex stamme, derselben Grafschaft wie sie selbst, und immer hart an sich arbeitete.
Manager Racke fordert die Frauen auf, sich vor der Makkabiade ein paare Tage auszuruhen. Sie sind deshalb ein bisschen nervös, aber Racke glaubt, dass sie es brauchen, um dann besser zu sein und Aussichten auf eine Medaille zu haben.
Für Waxler ist die Maccabiah der Höhepunkt einer langen Fußballkarriere. Im Team wird sie als eine der erfahrensten Spielerinnen – »die allerdings nicht mehr die flinkste ist«, wie sie sich beschreibt – in der Verteidigung spielen.
Neben der Makkabiade mit den vielen aufregenden Spielen gibt es aber auch einen anderen Höhepunkt für sie: Es wird das erste Mal in ihrem Leben sein, dass sie nach Israel reist. »Mein Vater war schon einmal da. Ich will gern das Tote Meer und die Kotel sehen.«
Maccabi Games Teamkapitänin Hallie Geey (32) hingegen ist regelmäßig in Israel zu Familienbesuchen, doch auch für sie ist die Maccabiah das größte Sportereignis, an dem sie je teilnehmen wird. Anders als Waxler spielte Geey nie in der Frauenliga, »eher im Garten mit ihrer Familie«, sagt sie und lacht. Doch Fußball spielen kann sie trotzdem – immerhin ist ihr Mann Fußballanwalt, und ihr Vater sei schon immer ein Fußballfanatiker gewesen.
Das letzte Mal spielte die blonde Sprachtherapeutin professionell bei den Maccabi Games in Wien und gewann mit ihrem Team Silber. Das war vor sechs Jahren. Das Training jetzt sei »echt hart«, bestätigt Geey, bemerkt dann aber, dass es lange nicht so schwer sei wie Kinder zu gebären.
Zwischen den Maccabi Games in Wien und den Spielen dieses Jahr in Jerusalem bekam sie zwei Kinder. »Doch die beiden und mein Mann müssen zu Hause bleiben – anders als mein Dad, der lässt sich das nicht nehmen.«
Teammanager Racke will, dass die Frauen weit kommen. Doch es wird schwer werden, gesteht er, denn die Teams aus Israel, den USA, Argentinien und Brasilien seien nicht zu unterschätzen.
Auch Joel Nathan weiß das. Der Erfolg hängt oft von der Größe der nationalen Teams ab, sagt er. »Die USA werden wahrscheinlich dreimal so viele Sportler nach Israel senden wie wir.«
Aber es gehe um die Erfahrung seiner Sportler, sagt er und zeigt auf einen Spieler: »Ihn kenne ich, seitdem er als Teenager bei uns anfing und ich ihn coachte. Jetzt gehört er zu einem der besten Fußballteams der Maccabiah.« Genau das sei es, was ihm die Befriedigung an diesem Job gibt, »und dass wir versuchen, für unser Land das Beste zu erreichen. Neben meiner Frau und meinen Kindern ist Maccabi GB das Wichtigste in meinem Leben.«
Als die Dämmerung anbricht, sind die Frauen bereits fertig und auf dem Weg nach Hause, doch die Männer werden weiter gedrillt. Gold in der Goldenen Stadt – das ist ihr Ziel.