Australiens Premierminister Scott Morrison nannte ihn eine »Inspiration und Freude«. Sein Leben lang habe er »Zeugnis dafür gegeben, wie Hoffnung und Liebe über Verzweiflung und Hass triumphieren können«.
Sich selbst bezeichnete Eddie Jaku als den »glücklichsten Mann auf Erden«. Doch wenn es nach den Nazis gegangen wäre, wäre das Leben des gebürtigen Leipziger Juden schon vor 80 Jahren zu Ende gewesen.
Jetzt ist der 101-Jährige in einem Pflegeheim in Sydney verstorben. Jaku hinterlässt seine Frau Flore, mit der er 75 Jahre verheiratet war, die beiden Söhne Michael und André und zahlreiche Enkel und Urenkel.
1920 kam Eddie Jaku als Abraham Jakubowicz zur Welt. In seiner im vergangenen Jahr erschienenen Autobiografie mit dem Titel The Happiest Man on Earth beschrieb er seine Inhaftierung in vier NS-Konzentrationslagern und mehrere Fluchtversuche.
Er habe »das Schlimmste im Menschen« gesehen, doch er hasse niemanden, schrieb er. »Hass ist eine Krankheit, die vielleicht deinen Feind zerstört, aber auch dich selbst«, so Jaku.
LEHRE An seiner Schule in Leipzig war Jaku war der einzige jüdische Schüler. Als die Nazis an die Macht kamen, schickten ihn seine Eltern unter einem Decknamen auf ein Internat. Nach der Schulzeit machte er eine Lehre als Werkzeugmacher und schloss sie als Bester seines Jahrgangs ab.
Als der 18-Jährige am Vorabend der Reichspogromnacht 1938 zu einem Überraschungsbesuch nach Hause kam, fand er dort nur noch den Dackel der Familie vor. Seine Eltern und seine Schwester Henni hatten die aufziehende Gefahr gewittert und waren untergetaucht, wie sich später herausstellte.
Am frühen Morgen des 10. November 1938 drangen dann mehrere SA-Mitglieder in das Haus ein, verprügelten Jaku, zertrümmerten das Mobiliar und töteten vor seinen Augen den Hund. Einer der Männer versuchte sogar, mit einem Bajonett ein Hakenkreuz in Jakus Arm zu stechen.
FLUCHT Der junge Mann wurde anschließend in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht, fünf Monate aber später entlassen, um in einer Werkzeugfabrik zu arbeiten. Stattdessen floh Jaku aber gemeinsam mit seiner Familie nach Belgien. Dort wurde er wegen illegaler Einreise festgenommen und blieb fast ein Jahr lang lang in einem belgischen Gefängnis inhaftiert.
Auch nachdem deutsche Truppen Belgien besetzten, konnte Eddie Jaku den Nazis nicht entkommen. Im französischen Lyon wurde er verhaftet. Nach sieben Monaten Haft im KZ Gurs gebracht wurde er in einen Zug nach Auschwitz gesteckt. Doch noch im Waggon versuchten er und weitere Insassen, die Bodenbretter aufzuschrauben und abzuschlagen. Dies gelang auch.
Kurz vor Straßburg konnten Jaku und acht weitere Insassen sich durch ein Loch im Boden durchwinden. »Wie Spinnen« hätten sie sich unter dem Waggon festgeklammert, bis der Zug langsam genug gefahren sei, um sich sicher auf die Gleise fallen zu lassen, wo sie sich zwischen die Schwellen legten und duckten, bis der Zug über sie hinweg war, beschrieb Jaku den Moment in seinem Buch.
WAGGON Erneut schlug er sich nach Belgien durch. Dort versteckte er sich gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester Henni auf dem Dachboden eines Hauses. Zwei Monate lang lebten zusätzlich zwei seiner Tanten dort. Als die beiden Frauen aber in die frühere Wohnung der Familie in Brüssel zurückgingen, wartete aber dort bereits die Gestapo. Noch im Zug Richtung Auschwitz wurden sie umgebracht.
Auch Jaku selbst, seine Schwester und die Eltern wurden im Oktober 1943 in ihrem Versteck aufgespürt und nach Auschwitz deportiert. Jaku entkam der Gaskammer, weil seine technischen Fertigkeiten gefragt waren. Seine Eltern hatten weniger Glück und wurden ermordet.
Nach einem Fluchtversuch aus dem Lager wurde er von einem polnischen Bauern angeschossen. Er sei, so beschrieb er es in seinen Memoiren, deshalb umgehend wieder in das Lager zurückgekehrt, da ihm klargeworden sei, dass er auch draußen keine Unterstützung zu erwarten gehabt habe. Jakus Fluchtversuch blieb von den SS-Bewachern unbemerkt.
Anfang 1945 wurde der Leipziger auf einen Todesmarsch geschickt und kam in ein kleineres Arbeitslager. Dort erfuhr er per Zufall, dass auch seine Schwester überlebt hatte. Als auch dieses Lager wegen der heranrückenden Truppen der Roten Armee evakuiert wurde und er wieder auf einen Todesmarsch geschickt wurde, gelang Jaku erneut die Flucht. Er fand in einem Wald eine Höhle und versteckte sich dort acht Wochen lang. Er habe sich von Schnecken ernährt, um zu überleben, schrieb er in seinem Buch.
GIGANT Im Juni 1945, also erst einen Monat nach Kriegsende, wurde Jaku, dem Tode nahe, von amerikanischen Soldaten gerettet. Er litt an Cholera und Typhus, überlebte diese erneuten Strapazen aber. Mit seiner Frau Flore ließ er sich zunächst in Belgien nieder. 1950 siedelten die beiden aber nach Australien über, auch Schwester Henni und Schwiegermutter Fortune gingen mit.
Eddie Jaku arbeitete über Jahrzehnte hinweg im Jüdischen Museum von Sydney als Freiwilliger und erzählte seine Geschichte. 2013 wurde er für seine Verdienste um die jüdische Gemeinschaft mit vom australischen Staat geehrt.
Australien habe »einen Giganten verloren«, sagte der jüdische Politiker Josh Frydenberg. Jaku habe sein Leben »der Aufklärung anderer über die Gefahren der Intoleranz und die Bedeutung der Hoffnung gewidmet«, würdigte Frydenberg den Verstorbenen. mth