Mzzl!» heißt das Magazin der Stiftung Folkingestraat Synagoge (SFS) in der nordniederländischen Stadt Groningen. Auf Niederländisch hört sich «Mzzl» fast so an wie Massel – und das trifft den Nagel auf den Kopf: Denn die 1906 erbaute monumentale Synagoge wäre Mitte der 70er-Jahre beinahe abgerissen worden.
Doch seit 1981 wird dort wieder gebetet, und viele Besucher, auch aus Deutschland, lassen sich das Judentum erklären. Denn die jüdische Gemeinde – offiziell Nederlands-Israëlitische Gemeente Groningen (NIGG) – teilt sich das Gebäude in der Altstadt mit der nichtjüdischen, kulturell ausgerichteten SFS.
Die Stiftung wurde 1975 gegründet, als der Synagoge der Abriss drohte. Bis dahin war sie von einer Wäscherei genutzt worden, die allerdings Konkurs anmeldete. Die Stadt Groningen, damals Eigentümerin, wusste nichts mit dem Gebäude anzufangen. Man dachte an Abriss. «Nicht ganz unverständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass von der großen jüdischen Gemeinde der Vorkriegszeit mit knapp 3000 Mitgliedern nur wenige den Holocaust überlebt hatten», erklärt Marcel Wichgers, der heutige Stiftungsdirektor.
Die winzige Gemeinde begnügte sich mit der viel kleineren ehemaligen Jugendsynagoge um die Ecke. Aber man habe die Rechnung ohne den Wirt gemacht, sagt Wichgers. «Lenny Wolgen-Salomon, ein aus Amsterdam zugezogenes Gemeindemitglied, erkannte den kulturellen, geschichtlichen und auch emotionalen Wert der Synagoge und ging auf die Barrikaden.»
So wurde das Bethaus gerettet – mit einer knappen Mehrheit bei einer Abstimmung im Stadtrat. Dann begann die Restaurierung. Als die Synagoge wieder in altem Glanz erstrahlte, ging sie in den Besitz der SFS über, die Lenny Wolgen-Salomon gegründet hatte.
Wahrzeichen Aus heutiger Sicht war die Rettung der Synagoge nicht nur für die kleine Gemeinde, sondern auch für die Stadt ein Glücksfall. Das Gebäude am Ende der Folkingestraat, einer beliebten Einkaufsstraße mit vielen Einzelgeschäften, ist mit seinen hohen Rundtürmen ein Wahrzeichen. Fast das ganze Jahr über stehen die Türen mehrmals in der Woche für Besucher offen.
Aber das war nicht immer so. Am Anfang war die Synagoge nur drei-, viermal im Jahr für ein paar Wochen geöffnet, wenn es eine Ausstellung gab. «Nach und nach haben wir die Öffnungszeiten erweitert», erzählt Wichgers. «Auch unsere Aktivitäten haben wir ausgebaut: Wir bieten Konzerte, Vorlesungen, Führungen und allerlei Bildungskurse an. Insgesamt haben wir jetzt rund 50 ehrenamtliche Mitarbeiter. Ohne sie ginge das alles gar nicht.»
Der vermeintliche Aufwind hat aber auch Schattenseiten: Er hat das Verhältnis zur jüdischen Gemeinde strapaziert. Eigentümerin der Synagoge ist inzwischen die Stiftung Alte Groninger Kirchen, die für die Instandhaltung verantwortlich ist. «Unsere Stiftung ist der Hauptmieter, und die jüdische Gemeinde wiederum ist unser Untermieter», sagt Wichgers.
Doch im Sommer nutzt die Gemeinde die Synagoge nicht für Gottesdienste, weil wegen der Urlaubszeit kein Minjan zusammenkommt. «Deshalb haben wir auch samstags geöffnet», sagt Wichgers. Das sei notwendig für einen finanziell gesunden Betrieb. «Ich muss gestehen, dass wir öfters unseren Kopf durchgesetzt und gegenüber der Gemeinde vollendete Tatsachen geschaffen haben.»
Aber das sei inzwischen anders geworden. «Wir haben einiges in die Wege geleitet, damit wir im Gespräch bleiben. Wir versuchen, Rücksicht zu nehmen auf Empfindlichkeiten der Gemeinde.» So wolle man künftig bei Empfängen nur noch koscheres Essen servieren. «Und freitagabends bieten wir keine Konzerte mehr an, weil das der Schabbatruhe widerspricht.» Außerdem habe man vereinbart, dass die Vorstände der Stiftung und der jüdischen Gemeinde zweimal im Jahr zusammenkommen, sagt Wichgers. Auf persönlicher Ebene seien die Beziehungen aber ohnehin sehr gut.
Aufgabe Das bestätigen der Gemeindevorsitzende Frits Grunewald und Vorstandsmitglied Chaja Wolf. Sie sind froh, dass die Stiftung Alte Groninger Kirchen für die Instandhaltung der Synagoge sorgt. «Das könnte unsere Gemeinde nicht», sagt Grunewald. «Das wäre finanziell eine zu schwierige Aufgabe für uns. Wir haben ja nur etwa 50 Mitglieder.»
Doch diese wenigen sind sehr engagiert. «Wir haben fast immer einen Minjan, und an den Feiertagen kommen meistens rund 40 Mitglieder in die Synagoge», betont Grunewald. Ein- bis zweimal im Monat reist ein Rabbiner aus Amsterdam an. Und manchmal lassen sich auch Gäste sehen: jüdische Studenten und Dozenten der Universität Groningen. Leider zögen die meisten nach ein paar Jahren wieder weg, sagt Grunewald. Und Chaja Wolf ergänzt: «Es wäre schön, wenn manche blieben. Denn die Gemeinde altert ein bisschen.»
Inzwischen hat Stiftungsdirektor Wichgers Pläne, um die Synagoge, auch gerade in Deutschland, bekannter zu machen. «Wir wollen unsere Internetseite professioneller gestalten und alle Informationen ungekürzt auf Deutsch und Englisch bringen.» Zudem arbeite man neuerdings an einer Dauerausstellung.
www.synagogegroningen.nl