Die Kartoffel hat es in sich, wusste schon der »Alte Fritz«. Sie macht ein Volk satt und lässt kräftige Kerle heranwachsen. Aber in weniger martialischen Zeiten und in Fastfood-Form wird sie tückisch. Man wird nicht nur gesättigt und herkulisch, sondern öfters auch beleibt, mit allen Konsequenzen.
Dem muss man entgegensteuern, dachte sich der jüdisch-niederländische Schriftsteller und Filmemacher Leon de Winter. Zusammen mit seinem Cousin und Namensvetter León Eijsman, einem Herzchirurgen, machte er sich auf die Gralssuche und entwickelte Low-Carb-Pommes. Die Marke »Leon & León« war geboren.
prädiabetes De Winter, hierzulande bekannt durch Romane wie Der Himmel von Hollywood, Malibu oder Das Recht auf Rückkehr, hörte 2012 von seinem Arzt, er habe Prädiabetes. Er solle also abnehmen und auf seine Diät achten. Einige Wochen später, als er in Amerika war, erfuhr de Winter, dass mindestens die Hälfte aller Amerikaner entweder auch Prädiabetiker oder sogar Diabetiker waren, und er dachte sich, es wäre höchste Zeit für Low-Carb-Pommes.
»Ich habe erstmals in den Staaten nach Low-Carb-Fritten gesucht, aber die gab es einfach nicht. Wenn man bedenkt, dass Pommes in Amerika die am meisten gereichte Beilage sind, kann man sich denken, dass da ein Problem entstehen könnte. Da habe ich mich mit meinem Cousin zusammengetan. Wir dachten, es könne doch nicht so schwierig sein, solche Pommes zu entwickeln«, erinnert sich de Winter.
Doch ihre Hoffnung bekam einen ersten Knick, als ein Wissenschaftler der renommierten landwirtschaftlichen Hochschule im holländischen Wageningen bestätigte, Pommes mit wenigen Kohlehydraten seien ungeeignet, frittiert zu werden. Nach einigem Hin und Her und der Spurensuche im Internet sind die beiden Cousins dann 2012 in den niederländischen Norden gefahren, zum Veredler HZPC im friesischen Städtchen Joure, einem Global Player, der 2500 verschiedene Kartoffelsorten auf Lager hat.
Züchterrechte »Dort sagte man uns, die Firma habe zwar eine Low-Carb-Kartoffelsorte gezüchtet, die Colomba – man hatte gerade die Züchterrechte zugewiesen bekommen –, aber die sei zum Frittieren nicht geeignet.«
De Winter und sein Cousin wollten das nicht glauben. Sie nahmen 100 Kilo mit und machten zu Hause einen Versuch. Fehlanzeige. Es kamen kohlrabenschwarze Kartoffelstäbchen dabei heraus.
In den nächsten Jahren zerbrachen sich die beiden Männer den Kopf darüber, wie man die Stäbchen gegen das Verbrennen schützen könne. Schließlich kam ihnen der Gedanke, die Fritten mit einem Coating, einem Überzug, zu versehen.
»Wir recherchierten im Netz und landeten bei der Firma ›De Korrel‹ im holländischen Terschuur. Dort entwickelt man Coatings für vielerlei Lebensmittel. Wir wollten einen Überzug, der die Flüssigkeit der Kartoffel festhält, damit sie nicht verbrennt«, sagt de Winter. »Außerdem setzten wir fortan auf Airfryer und nicht auf Fritteusen, um die Pommes zuzubereiten.«
Stärkemehl In »De Korrel« machte man sich an die Arbeit – und hatte nach einigen Versuchen Erfolg mit einem Coating aus Stärkemehl. Dem wurde Natrium zugesetzt, damit die Pommes schon von sich aus einen salzigen Geschmack haben und kein zusätzliches Salz mehr brauchen, also gesünder sind.
Nun mussten sie eine Firma finden, die die neuen Low-Carb-Pommes produziert. »Bei den großen Herstellern braucht man da nicht anzuklopfen«, winkt de Winter ab. »Die wollen für einen Versuch ihre Produktionslinie nicht umstellen. Zum Glück fanden wir den kleinen Familienbetrieb Mydibel im belgischen Mouscron, nahe der französischen Grenze.«
Und jetzt gibt es sie, die Low-Carb-Pommes. Vorerst nur in Holland, in den Filialen der Supermarktkette Albert Heijn. Aber die beiden Leons, ihr Geschäftspartner HZPC und »De Korrel« haben sich zusammengetan zu «Fries4All« und liebäugeln mit dem amerikanischen Markt. Gern würden sie »Leon & León« auch in Deutschland vertreiben.