Seit Jahren breitet sich die anti-israelische Boykottbewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) immer stärker aus. Die britische Regierung hat ihr nun einen Riegel vorgeschoben. Gewerkschaften, kommunale Behörden und Anstalten des öffentlichen Rechts in Großbritannien sollen künftig durch verschärfte Richtlinien kein Land und keine Firma boykottieren oder zu deren Boykott aufrufen.
Die neuen Richtlinien beziehen sich nicht nur auf den Boykott Israels, sondern auch auf Versuche, Firmen zu boykottieren, die beispielsweise in Verbindung mit dem Tabakwarenhandel oder der Öl- und Rüstungsindustrie stehen. Mit Bezug auf Israel erklärte das britische Kabinett, dass solche Boykottversuche, wenn sie von Stadtverwaltungen initiiert werden, gute Gemeinschaftsbeziehungen unterminieren, Debatten negativ beeinflussen und den Antisemitismus befeuern würden
Betroffen ist derzeit vor allem die mittelenglische Stadt Leicester, die ganz offiziell Produkte aus Israel boykottiert. Die jüdische Organisation Jewish Human Rights Watch klagte dagegen und forderte erfolgreich eine richterliche Prüfung, weil dieser Boykott gegen die Gesetze für Lokalregierungen sowie gegen das britische Gleichberechtigungsgesetz verstoße. Ein Prozesstermin steht noch aus. Die neuen Richtlinien könnten bereits die Ergebnisse dieses Prozesses und die aller anderen Klagen beeinflussen und so verschiedenen Boykottversuchen ein rasches Ende bereiten.
Medikamente Auch einige lokale britische Gesundheitsbehörden, alle Teil des nationalen Gesundheitssystems NHS, werden sich an diese Richtlinien halten müssen. Vereinzelt gab es Fälle, in denen israelische Arzneimittel – sie machen rund 15 Prozent aller in Großbritannien verschriebenen Medikamente aus – boykottiert und aus dem Sortiment genommen wurden.
Ähnliche Anti-Boykott-Verfügungen wie jetzt gab es bereits unter der früheren Premierministerin Margaret Thatcher, doch bezogen sie sich damals nicht auf Israel, sondern galten den Versuchen, »Apartheidprodukte« aus Südafrika zu boykottieren.
Labour Der Oppositionsführer, Labour-Chef Jeremy Corbyn, bezeichnete die Richtlinien der Regierung als »Angriff auf die lokale Demokratie«. Doch man darf sie auch als Attacke auf seine Person verstehen. Immerhin ist Corbyn Schirmherr der pazifistischen Organisation War on Want, die in den vergangenen Jahren einer der Hauptprotagonisten des Israel-Boykotts in Großbritannien war.
Die neuen Richtlinien verbieten nicht alle Boykottmaßnahmen. Private Organisationen und Einzelpersonen haben selbstverständlich weiterhin das Recht, sich frei zu entscheiden.
Der Dachverband Board of Deputies (BoD) und der Jüdische Weltkongress begrüßen die neuen Anti-Boykott-Richtlinien. BoD-Präsident Jonathan Arkush sagte, die Boykotte erhöhen das Verletzlichkeitsgefühl der jüdischen Gemeinschaft »und tragen nicht zum Ausbau des Friedens bei«.
Apartheid Week Dass die Notwendigkeit spezieller Richtlinien in Großbritannien keineswegs übertrieben ist, bewies am Montag eine Großaktion im Namen der sogenannten Israeli Apartheid Week. Dabei wurden in der Londoner U-Bahn Werbeposter durch anti-israelische Plakate ersetzt. Auf ihnen war unter anderem zu lesen, dass Israel im Sommer 2014 britische Waffen benutzt habe, um »Palästinenser zu massakrieren«. Mitglieder der BDS-Bewegung hatten die Plakate illegal auf Werbeflächen angebracht, um auf die zwölfte Israeli Apartheid Week hinzuweisen, die am Montag begann.
Die Verkehrsgesellschaft Transport for London (TfL), die für die Londoner U-Bahn verantwortlich ist, bestätigte der Jüdischen Allgemeinen, dass es sich hierbei um völlig unautorisierte Werbung handelt. TfL betrachte sie als Akt des Vandalismus und bemühte sich, die Poster sofort nach Entdeckung zu entfernen.