Normalerweise würde Monika Krawczyk einen Vertrauensvorschuss bekommen. Als neue Direktorin des Jüdisch-Historischen Emanuel-Ringelblum-Instituts (ZIH) in Warschau könnte sie nun ein Jahr lang zeigen, wo sie das traditionsreiche Institut mit neuen Ausstellungen, Publikationen und öffentlichen Vorträgen künftig verorten will. Doch Krawczyk wurde vor ihrer offiziellen Ernennung durch den Kulturminister nur so mit Kritik überschüttet.
Denn seit dem Regierungsantritt der nationalpopulistischen Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) im Jahr 2015 ist in Polens Kulturlandschaft kaum noch etwas »normal«. Da konnte in Breslau ein Historiker zum Direktor des staatlichen Instituts des Nationalen Gedenkens ernannt werden, der noch vor wenigen Jahren ein bekennender Neofaschist war und auch gern mal den rechten Arm zum Hitlergruß streckte. So geschehen vor einigen Monaten.
Und in Danzig war zwischenzeitlich ein Historiker Direktor des neuen Museums des Zweiten Weltkriegs, der sich vor allem für die Geschichte des Boxens interessiert hatte, doch er gilt als parteiloyal.
ERFAHRUNG »Ich bin Mitglied der jüdischen Gemeinde in Warschau, bin sogar im Vorstand des Jüdischen Gemeindebundes, habe über ein Dutzend Jahre lang die Stiftung zum Schutz des Jüdischen Erbes geleitet − das Thema ›jüdische Geschichte‹ ist mir also nicht neu«, verteidigt sich die 47-Jährige in ihrem neuen Direktorenzimmer. Ihre Kritiker hätten allerdings recht mit dem Vorwurf, dass sie weder Historikerin noch Professorin sei.
Andererseits sei das ZIH schon seit 2008 kein Forschungsinstitut mehr, sondern unterstehe dem Kulturministerium. »Ich bin von Beruf Juristin, genauer gesagt, Anwältin. In meiner Rolle als ZIH-Direktorin verstehe ich mich vor allem als Kulturmanagerin, die dafür sorgen wird, dass es für die Pläne der einzelnen Abteilungen genug Geld geben wird.«
International kaum bekannt ist, dass das ZIH mit mehreren Millionen Archiveinheiten zu den größten judaistischen Archiven weltweit zählt.
Hart zu verhandeln habe sie ja in den vergangenen Jahren gelernt, als ihre Hauptaufgabe darin bestand, das ehemalige Eigentum der jüdischen Gemeinden – Synagogen, Schulen, Krankenhäuser und Friedhöfe in ganz Polen – für die Stiftung zum Schutz des jüdischen Erbes zurückzugewinnen. »Diese Erfahrung wird mir jetzt zugutekommen.«
FORSCHUNG Die Forschungsabteilung im ZIH mit ihren 15 Wissenschaftlern (von insgesamt rund 80 Mitarbeitern) liege ihr besonders am Herzen. Doch die Verantwortung für die Themenwahl liege bei Professor Andrzej Zbikowski. Auch wenn sie eigene Interessenschwerpunkte mitbringe, werde der renommierte Historiker auch in Zukunft volle Freiheit bei der Themenwahl genießen.
»Ich hoffe aber sehr, dass ich die internationale Zusammenarbeit ausbauen kann, sodass das ZIH künftig in einem Atemzug mit der Jerusalemer Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem, dem Holocaust Memorial Museum in Washington oder dem YIVO in New York, dem Institut zur Erforschung der Kulturgeschichte des osteuropäischen Judentums, genannt wird.«
International kaum bekannt ist, dass das ZIH mit mehreren Millionen Archiveinheiten zu den größten judaistischen Archiven weltweit zählt und mit dem von Emanuel Ringelblum angelegten Untergrundarchiv aus dem Warschauer Ghetto eine einzigartige Quelle besitzt.
ausstellung »Das möchte ich gern ändern«, so Krawczyk. Eine erste Ausstellung zum Ringelblum-Archiv werde das ZIH noch in diesem Jahr im NS-Dokumentationszentrum in München zeigen. »Ich hoffe sehr, dass sich daraus eine weitere Zusammenarbeit mit anderen Museen und Gedenkstätten in Deutschland wie im übrigen Ausland entwickeln wird.«
Doch auch in Warschau gibt es viel zu tun. Denn meist sind die ZIH-Ausstellungsräume gähnend leer. Das liegt nicht nur an POLIN, dem 2013 eröffneten Geschichtsmuseum der polnischen Juden, das mit seiner interaktiven Ausstellung zur 800-jährigen jüdischen Geschichte des Landes wahre Menschenmassen anzieht, sondern auch am bisher wenig attraktiven ZIH-Ausstellungskonzept, das vor allem auf die Aussagekraft von Originaldokumenten setzt.
Doch die zumeist mit Tinte beschriebenen Papiere sind oft klein und unansehnlich und müssen vor zu viel Licht geschützt werden. Auch Fotos werden nicht vergrößert gezeigt, was technisch problemlos machbar wäre, sondern im Original. Ohne Lupe aber ist auf den kleinformatigen Bildern oft nicht viel zu erkennen.
»Das muss man genauer analysieren«, sagt Krawczyk. Dann werde man neue Lösungen finden. »Trotz der Anlaufschwierigkeiten bin ich optimistisch gestimmt. Das werden spannende fünf Jahre im Jüdischen Historischen Institut, die nun vor mir liegen.«