»Mutig oder ohne Biss?«: Wie die Jugend von heute tatsächlich zu beschreiben ist, dieser Frage geht Das Jüdische Echo in seiner aktuellen Ausgabe nach. Unter dem Titel »Jugend im Aufbruch: Gestern, heute, morgen« widmet sich das Heft aber auch dem Selbstverständnis von Jugend früherer Generationen. Leon Zelman, der inzwischen verstorbene Begründer der jährlichen Publikation, Schoa-Überlebender und späterer Brückenbauer, sei bis heute vielen Vorbild, betonte Herausgeber Leon Widecki bei der Präsentation des Bandes 61 in Wien. Warum? Der Schriftsteller Albert Camus habe einmal gesagt: Man werde alt, wenn man seine Ideale aufgebe. »So gesehen war Zelman immer jung.«
Hoffnungsfroh, orientierungslos, ohne Jobperspektive: Das sind nur einige Facetten heutiger Jugend, quer über den Erdball, die im Echo nachgezeichnet werden. Der Fokus vieler Beiträge liegt auf jüdischen jungen Frauen und Männern, aber nicht nur. Wenn Otmar Lahodynsky über »Europas verlorene Generation« schreibt, geht das alle an: ein Fünftel der EU-Bürger zwischen 15 und 24 Jahren ist demnach arbeitslos.
Sorgen Miguel Szymanski hat sich die Situation von unter 30-Jährigen in Spanien und Portugal angesehen. Zu Wort kommt hier Nicolas Bemaman, 2011 Teilnehmer der Makkabi-Spiele in Wien. Er sei hier, »um Spaß zu haben und Spanien gewinnen zu sehen«, ist in einer österreichischen Tageszeitung nachzulesen. Ein knappes Jahr später ist der junge Spanier nicht mehr optimistisch. »Mir ist die Krise bewusst. Die Dinge haben sich geändert, wir haben unsere Privilegien verloren. Meine größte Sorge ist, ob ich überhaupt jemals eine Arbeit finden werde.« Die jüdische Gemeinde von Madrid helfe großzügig, sagt er, »wenn du dich entscheidest, nach Israel zu gehen und dort ein neues Leben anzufangen«. Bemaman hat es so formuliert, als wäre es nicht wirklich sein Lebenstraum, nach Israel auszuwandern.
Denn auch dort ist die Situation der Jugendlichen nicht rosig. Die soziale Ungerechtigkeit habe vor einem Jahr viele Junge auf die Straße getrieben, schreibt Andrea Livnat. Doch was hat sich seitdem verändert? Wenig. Die größte Erleichterung ist, dass ein Gesetz die kostenlose Betreuung von Kindern ab drei festschreibt.
Doch davon profitieren die ganz Jungen, die studieren, die nach einem Job suchen, nicht. Und oft ist es dann mit nur einem Job auch nicht getan. Livnat berichtet von der 28-jährigen Psychologin und Hydrotherapeutin Schachar, die an sechs verschiedenen Stellen arbeitet, um ein einigermaßen erträgliches Einkommen zusammenzubekommen. Die Konsequenz: »Die jungen Leute in Israel schauen nach Europa oder in die USA und fühlen sich betrogen. Sie lernen, dienen in der Armee, studieren mehrere Jahre, rackern sich täglich ab, und trotzdem bleibt ihnen nichts übrig«, ist zu lesen.
Generation Praktikum Echo-Chefredakteurin Marta Halpert hat sich am Jüdischen Beruflichen Bildungszentrum in Wien umgehört. Die jungen Menschen, die dort einen Beruf in den Bereichen Büro- und Bankwesen, IT oder Orthopädietechnik erlernen, wünschen sich, nach dem Abschluss eine feste Anstellung zu finden. Denn auch in Österreich ist die Generation Praktikum mehr als präsent. Seit sechs Jahren gibt es hier die »Plattform Generation Praktikum«, schreibt Veronika Kornberger. Der Verein erhebt Daten, organisiert Veranstaltungen, leistet Bewusstseinsarbeit. Sein Fazit: Ein Drittel der Praktika ist gänzlich unbezahlt, und auch von den anderen lässt es sich nur schwer leben.
Halpert, der es bei der Zusammenstellung der Beiträge auch in dieser Ausgabe wieder darum ging, den Blick über den Tellerrand zu werfen – sowohl über jenen Österreichs als auch über den der jüdischen Gemeinde – bilanziert dennoch nicht resigniert: Die heutigen Jugendlichen »sind sicher keine verlorene Generation«. Und vielleicht wird sich der eine oder andere eines Tages ja auch so humorvoll an seine durch die politische Situation nicht rosige Jugend erinnern, wie dies Ari Rath in seinem Beitrag »Der junge Kibbuznik« tut. Dort heißt der Untertitel: »Von Wien nach Palästina: Aus der Porzellangasse in den Kuhstall«.
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