»Never again ist jetzt«, sagt Daniel Botmann, der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei einem Treffen zum Interview in einem Café in Manhattan. Botmann ist für die Zusammenkunft der J7 nach New York gekommen, eine Initiative führender Vertreter der sieben großen Diaspora-Gemeinden USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Argentinien und Australien, die im Frühjahr vergangenen Jahres eine Allianz gegen den zunehmenden Antisemitismus in der Welt gegründet haben. Derzeit würden 25 Prozent aller jüdischen Studenten in den USA verbergen, dass sie jüdisch seien. Dabei sei doch Amerika immer ein »sicherer Hafen« gewesen, so Botmann.
Am Donnerstag wird die Gruppe den Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, treffen. Guterres hat Israel für den Einsatz in Gaza kritisiert, auch dafür, dass es bisher keine Zweistaatenlösung gebe. Während er eine sofortige Waffenruhe fordert, hat er sich kaum zu den Massakern der Hamas in Israel geäußert, ohne die es diesen Krieg nicht gäbe. »Dabei beschießt die Hamas Israel noch immer mit Raketen, und es sind immer noch Geiseln in Gefangenschaft der Terroristen, darunter sogar Babys«, sagt Botmann.
Eine Partnerschaft auf Augenhöhe
Viele Vertreter jüdischer Organisationen seien über Guterres und die UN verärgert, die immer nur Israel kritisiere, fährt Botmann fort. Es habe Monate gedauert, bis sich die UN überhaupt dazu durchgerungen hätten, die sexuelle Gewalt zu verurteilen, die die Hamas am 7. Oktober als Waffe eingesetzt hat.
Für das Treffen hofft Botmann auf eine solidarischere Stellungnahme. Auch Jonathan Greenblatt, der Direktor der einflussreichen Anti-Defamation League (ADL), wird erwartet. Die ADL war maßgeblich an der Bildung von J7 beteiligt, vertritt dort aber nicht die USA, sondern übernimmt in etwa die Funktion des Sekretariats. Insgesamt handelt es sich um eine Partnerschaft auf Augenhöhe, so Botmann. Zuvor haben die Teilnehmer auch Deborah Lipstadt getroffen, die Antisemitismusbeauftragte des US-Außenministeriums und renommierte Holocaust-Forscherin.
Es gehe um eine gemeinsame Stimme, unabhängig von Israel, beschreibt Botmann den Anspruch der J7. Der Vorsitz wechselt halbjährlich. Derzeit hat ihn die USA inne, vertreten durch die Conference of Presidents. In der zweiten Jahreshälfte übernimmt Argentinien und im ersten Halbjahr 2025 der Zentralrat der Juden in Deutschland.
Zunahme antisemitischer Gewalt
Die Arbeit von J7 betrifft auch den Kulturbereich, wo Judenhass und Antisemitismus Konjunktur haben, vom internationalen Filmfestival bis zur großen Kunstausstellung. Und natürlich geht es auch um Social Media. Die J7 fordert eine Anerkennung und verbindliche Umsetzung der IHRA-Antisemitismusdefinition durch die jeweiligen Regierungen.
Das große Thema dieses Treffen ist aber vor allem die Zunahme antisemitischer Gewalt. Der Angriff auf das orthodoxe Gemeindemitglied in Zürich und auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira in Berlin, der krankenhausreif geschlagen wurde, haben viele aufgeschreckt. Beide Täter haben offenbar einen muslimischen Hintergrund.
Der Zentralrat sieht aber auch rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien wie die AfD in Deutschland als großes Problem. Man müsse alles gleichermaßen bekämpfen, die Rechtsradikalen und Islamisten sowie Linksextremisten, betont Botmann. Die J7 werde sich in einer Erklärung im Anschluss an das Treffen auch gezielt zu der besorgniserregenden Situation an Hochschulen äußern, von der alle Mitglieder aus ihren Ländern berichteten.
Wenn es um die Auseinandersetzung mit migrantischer Gewalt geht, lehnen der Zentralrat wie auch die Schwesterorganisationen in anderen Ländern die Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen und rechtsradikalen Parteien generell ab. Das gelte etwa für die Politikerin des Rassemblement National, Marine Le Pen, in Frankreich, die Angebote an die jüdische Community mache.
Austausch über Best-Practices-Beispiele
Die J7 will Antisemitismus mit schärferen Gesetzen bekämpfen und dabei voneinander lernen. Beispielsweise sei es in Deutschland schon seit 2020 verboten, Staatsflaggen zu verbrennen. Der Zentralrat hatte sich für das Gesetz eingesetzt. Vor allem israelische Fahnen wurden in Deutschland auf antisemitischen Aufmärschen regelmäßig zerstört, ohne dass von den Sicherheitsbehörden eingegriffen werden konnte. Genau der Austausch über diese Best-Practices-Beispiele sei innerhalb der J7 besonders wertvoll, so Botmann.
Was Hass und Antisemitismus im Internet angehe, sei es viel schwieriger, dagegen vorzugehen. So hätten nach dem Anschlag der Hamas etwa 440 Millionen Menschen auf TikTok ihre Solidarität mit Israel bekundet, gleichzeitig habe es aber 25 Milliarden Anti-Israel-Postings gegeben. »Das liegt auch am Algorithmus der Plattformen, von denen mehr erwartet werden muss im Kampf gegen Antisemitismus.« In Amerika mit dessen verwurzeltem Verständnis von Redefreiheit sei das allerdings schwierig. Aber eben hier säßen letztlich alle Plattformbetreiber.
Grundsätzlich solidarisch mit Israel
Die J7-Vertreter sehen zudem mit Sorge, dass die Israel-Kritik in den USA stark zugenommen hat – auch von liberaler Seite, wie beispielsweise von der »New York Times«, dem angesehenen Magazin »The New Yorker« oder prominenten linken Juden wie dem Senator von Vermont, Bernie Sanders, der Israels Premierminister Benjamin Netanjahu verurteilt. »Netanjahus Politik ist eine Sache, aber wir müssen grundsätzlich solidarisch mit Israel sein«, sagt Botmann. »Das ist wichtig.«
Das J7-Treffen in New York fand am Rande der Anti-Defamation-League-Konferenz »Never is now« statt. Das nächste Treffen der J7 findet im Juli in Buenos Aires statt. Anlass ist der 30. Jahrestag des Bombenanschlags eines libanesischen Terroristen auf das AMIA-Building, die Zentrale der jüdischen Gemeinde in Buenos Aires, bei dem 85 Menschen ermordet wurden. Die Hintergründe des Anschlags sind bis heute ungeklärt.