Griechenlands Schuldenkrise hat inzwischen auch die Juden des Landes erreicht. Wie Benjamin Albalas, Präsident der jüdischen Gemeinde Athen, sagte, seien die Einnahmen der Gemeinde in letzter Zeit stark gesunken. »Rund 75 Prozent kommen aus Immobilien, der Vermietung von Wohnungen und Geschäften.« Doch in den vergangenen Monaten hätten zahlreiche Läden geschlossen, der Gemeinde fehlten Mieteinkünfte, so Albalas.
Was den Juden in Athen besonders zu schaffen macht, ist eine neue Immobiliensteuer, die das griechische Parlament Ende September beschlossen hat. Bis Jahresende soll sie zwei Milliarden Euro in die Staatskasse spülen. Abhängig von Alter und Lage der Gebäude werden pro Quadratmeter zwischen drei und 20 Euro erhoben. Ob die Fläche vermietet ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Unter solchen Umständen wird Immobilienbesitz zum Fluch.
Krise Neue Geldquellen aufzutun, ist in der Krise kaum möglich. »Das Spendenaufkommen in der Gemeinde ist zurückgegangen«, klagt Albalas. »Immer mehr Menschen sind arbeitslos und zahlen deshalb keine Mitgliedsbeiträge mehr.« Andererseits nimmt die Zahl der Bedürftigen zu. Manche Gemeindemitglieder können ihre Miete nicht mehr zahlen, brauchen Zuschüsse für medizinische Versorgung. Den Gemeinden fällt es zunehmend schwer, ihnen zu helfen. »Wir versuchen, unsere Dienstleistungen aufrechtzuerhalten, so gut es geht«, sagt Albalas, »aber ohne Unterstützung durch die jüdische Welt kann es passieren, dass wir bis Anfang des Jahres 2013 pleite sind.«
Große Hoffnung setzen die griechischen Juden auf das Jewish Distribution Committee (JDC), kurz JOINT genannt. Benjamin Albalas hat die amerikanisch-jüdische Hilfsorganisation um Unterstützung gebeten. Deren Mitarbeiter untersuchen derzeit, »wie sich die Krise auf die jüdische Gemeinde des Landes auswirkt und denken über Möglichkeiten nach, wie geholfen werden könne«, sagte ein Sprecher vergangene Woche der Jerusalem Post.
Um die eigene Situation zu verbessern, verzichtet die Athener Gemeinde auf einen zweiten Rabbiner. Als der alte Amtsinhaber vor einem Jahr in Rente ging, wurde seine Stelle nicht mehr neu ausgeschrieben. Man behilft sich mit einem jungen Kantor aus Israel, der den verbliebenen Rabbiner unterstützt. Die Gemeinde ist froh darüber, denn das spart Geld und man kann die religiösen Dienstleistungen weiterhin in vollem Umfang anbieten.
Auch untereinander helfen sich die Juden in Griechenland seit einigen Monaten verstärkt. So bezahlt die Gemeinde in Thessaloniki, die wohlhabender ist als die in Athen, zum Beispiel die Ferienlager. Und ab dem kommenden Jahr wollen die Juden in Thessaloniki Albalas’ Gemeinde finanziell unterstützen. »Sie besitzen dort mehr Immobilien als wir«, sagt Albalas, »denn es lebten vor der Schoa sehr viele Juden in Thessaloniki.« Etliche ihrer Grundstücke habe die dortige Gemeinde erhalten. Doch auch sie leidet unter der neuen Steuer. Auf Unterstützung aus dem eigenen Land ist in diesen Tagen wenig Verlass.
Darlehen »Wir hoffen sehr, dass der JOINT uns in naher Zukunft hilft, denn unsere Situation wird immer schwieriger«, sagt Albalas. Am liebsten wäre ihm eine Kombination aus Geschenk und Darlehen.
Unterstützung von jüdischen Organisationen in Europa erhält die Athener Gemeinde bislang nicht. »Aber wir haben durch Vermittlung des JOINT und des European Council of Jewish Communities Hilfsangebote aus Frankreich und Großbritannien bekommen«, so Albalas.
Inzwischen sind die Verhandlungen mit dem JOINT angelaufen. Die Athener müssen den Vertretern der Hilfsorganisation nun ihre finanzielle Lage erklären. Für diese Woche hat sich Europa-Direktor Alberto Senderey aus Paris angekündigt. Wie er der Jüdischen Allgemeinen sagte, wolle er gemeinsam mit den Griechen auch darüber diskutieren, wie wichtig es ist, dass die jüdischen Gemeinden im Land und in ganz Europa zusammenarbeiten.
Im Januar möchte sich dann JOINT-Geschäftsführer Steve Schwager vor Ort ein Bild von der Situation der Athener Gemeinde machen. Erst danach wird eine endgültige Entscheidung aus New York erwartet.