Unruhige Zeiten in Amsterdam: Rund um das Gedenken an die Pogromnacht zieht sich seit Wochen eine heftige Kontroverse. Während die offizielle Veranstaltung am 9. November in der Portugiesischen Synagoge stattfand, gab es am Vortag eine alternative Zusammenkunft. Am Mahnmal des Jüdischen Widerstands vor dem Stadthaus lud die »Plattform Stop Rassismus und Ausgrenzung« zu ihrer Art des Gedenkens. Deren Gastrednerin war zugleich Auslöserin des Konflikts: die umstrittene Knesset-Abgeordnete Haneen Zoabi von der arabischen Balad-Partei.
In ihrer Ansprache setzte die 46-Jährige um, wogegen jüdische Organisationen in den Niederlanden im Vorfeld protestiert hatten: Sie verglich die aktuelle Situation in Israel mit den Anfangsjahren in Nazi-Deutschland. »Rechtfertigung des Einsatzes von Gewalt« und »Dämonisierung des Anderen« nannte sie als Beleg dafür, dass sich »der Staat Israel in einer ähnlichen Phase« befinde. Beide Phänomene sieht Zoabi freilich nur auf israelischer Seite, der sie vorwarf, »die zentrale Lehre aus der Kristallnacht nicht gelernt« zu haben. Sich selbst verortete Zoabi nicht nur geografisch in der Spur der Schoa-Opfer: »Ich fühle mich geehrt, im Namen der Opfer der Kristallnacht zu sprechen«, begann sie ihre Rede. Und endete mit den Worten: »Ich identifiziere mich mit den Opfern, und ich kämpfe ihren Kampf.«
Missbrauch Ron van der Wieken, der Vorsitzende des Beratungsverbands jüdischer Organisationen (CJO), ist darüber entsetzt. »Das Kristallnachtgedenken wird missbraucht, um Israel zu verleumden und zu hassen«, kommentiert er Zoabis Auftritt.
Die jüngste Kontroverse ist die Zuspitzung einer Situation, die in Amsterdam bereits seit einigen Jahren immer wieder für Aufregung sorgt. Bis 2010 organisierten der CJO und die »Plattform«, damals noch unter dem Namen »Die Niederlande bekennen Farbe«, die Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht gemeinsam. Die »Plattform« versuchte dabei jeweils, einen Bezug zu aktuellen Formen von Rassismus und Diskriminierung herzustellen. Schon lange gab es zwischen beiden Seiten immer wieder inhaltlichen Streit, so etwa über die Beteiligung anti-israelischer, linker Gruppen. Aus diesem Grund finden seit 2011 immer jeweils zwei Gedenkveranstaltungen statt. »Haneen Zoabi als Ehrengast einer Zusammenkunft einzuladen, die dem Gedenken an 400 ermordete Juden gewidmet sein sollte, ist die x-te provozierende Chuzpe dieser Klubs«, schrieb Esther Voet, Chefredakteurin des Nieuw Israëlitisch Weekblad (NIW), in einem Essay am Tag danach. Die Pogromnacht sei schließlich der Beginn eines Prozesses gewesen, der zur »Endlösung« geführt hat.
Gegendemo Kritik übt Voet auch an der Stadtverwaltung, die pro-israelische Gegendemonstranten aufforderte, der Veranstaltung fernzubleiben. Deren »Flaggen und Transparente«, hieß es in einem Schreiben des Bürgermeisters, »passen nicht zu dem, wofür dieses Monument und diese Gedenkfeier stehen« und könnten zu »Reaktionen, Konfrontationen und Unruhe« führen.
Protest gab es dennoch: Die Pro-Israel-Gruppierung »Wachters« (deutsch: Wächter), der sowohl Juden als auch Christen angehören, war mit mehr als 50 Personen vertreten.
Viele von ihnen hatten Schofar-Hörner bei sich, einige bliesen sie auch. Als Zoabi das Wort ergriff, drehten sie ihr den Rücken zu. »Sie ist eine Hasspredigerin ersten Ranges, die zur Intifada aufruft«, sagt Sprecher Tom Thomas. »Dass sie sich mit Holocaust-Opfern vergleicht, ist eine Schande.«