Im vergangenen Jahr ist Rosch Haschana in der Ukraine zum gesetzlichen Feiertag erklärt worden. Die jüdischen Gemeinden begrüßten dies, ihre Mitglieder haben dadurch Anspruch auf arbeitsfreie Tage. Die Corona-Pandemie machte jedoch die alljährliche Reise von Pilgern zum Grab von Rabbi Nachman nahezu unmöglich.
Dieses Jahr hingegen ist alles anders: Uman, eine Stadt rund 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Kiew, wo sich das Grab des Rabbi Nachman von Bratzlaw befindet, erlebt einen Ansturm wie in normalen Zeiten – jedoch mit strengen Corona-Auflagen.
COVID 2020 fiel Rosch Haschana in eine Zeit, in der die Zahlen der Covid-Neuinfektionen sowohl in der Ukraine als auch in Israel sehr hoch waren. Das von Kiew im Eiltempo durchgesetzte einmonatige Einreiseverbot für Ausländer diente vor allem dem Ziel, die Masseneinreise von Pilgern zu verhindern. Offenbar war dieses Vorgehen hinter verschlossenen Türen auch mit Israel abgesprochen worden.
Etliche Pilger versuchten, auf dem Landweg über Belarus in die Ukraine einzureisen. An den Grenzübergängen kam es zu Spannungen. Rund 3000 Chassiden schafften es damals, nach Uman zu gelangen. Einige von ihnen zerstörten Schutzzäune, die wegen der Pandemie am Grab des Rabbis errichtet worden waren.
Ein Jahr später sieht die Corona-Lage in der Ukraine entspannter aus, auch wenn die Zahlen der Neuinfektionen und Krankenhauseinweisungen wieder etwas zunehmen. Weil der Anstieg in Israel zurzeit enorm ist, befürchteten Pilger, die ukrainischen Behörden könnten die Einreise vor Rosch Haschana wieder stark einschränken. Doch dazu ist es nicht gekommen. Das ukrainische Gesundheitsministerium hält es für möglich, das Pilgern in nahezu vollständiger Form zu erlauben – jedoch unter der Bedingung, dass sich die Chassiden, die größtenteils geimpft sind, vor dem Abflug einem Covid-Test unterziehen.
Schnelltests Außerdem müssen sie Hygieneregeln einhalten: Das Betreten des Pilgergebiets ist nur nach Temperaturmessung sowie mit Mund-Nase-Schutz möglich.
Außerdem setzt das ukrainische Rote Kreuz gemäß den Vorschriften des Gesundheitsministeriums Freiwillige aus der Ukraine und Israel ein, die vor Ort Corona-Schnelltests durchführen. Das ukrainische Zentrum für öffentliche Gesundheit stellte 19.000 Dosen mit Desinfektionsmittel sowie knapp 200.000 Masken zur Verfügung. Der Aufwand zeigt, dass man in Uman in diesem Jahr viele Pilger erwartet. Die israelische Botschaft in Kiew sprach von bis zu 50.000 – deutlich mehr als sonst.
Der jüdische Gemeindebund der Ukraine hält diese Einschätzung für überzogen, denn mehrere Gründe sprächen gegen Rekordzahlen, darunter die verpflichtende Selbstisolation nach der Rückkehr nach Israel sowie die Tatsache, dass man in Israel keine Krankenversicherung für die Reise in die Ukraine abschließen kann.
Die Vereinte jüdische Gemeinde rechnet nur mit bis zu 30.000 Besuchern. Man geht davon aus, dass in den kommenden Tagen vor Rosch Haschana jeden Tag bis zu 2000 Pilger ins Land einreisen werden.
Zwar ist es auch im Normalfall nicht unüblich, dass die Chassiden deutlich vor Rosch Haschana nach Uman kommen. »Doch auffallend ist, wie viele hier bereits vor einem Monat waren«, meint Ihor Miklaschtschuk, Chef der Bezirksverwaltung von Uman, gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform. »Nach den Verboten des vergangenen Jahres wollten sie offenbar unbedingt auf Nummer sicher gehen und früher kommen.«
Aber auch nach Rosch Haschana werden etwa 2000 ultraorthodoxe Juden in der Stadt bleiben. Sie wohnen überwiegend in einem eigenen Viertel. Und obwohl die fragliche Rechtmäßigkeit der chassidischen Hotelbebauung die Einwohner der Stadt spaltet, blickt Miklaschtschuk mit Optimismus auf die Feiertage. Es gebe keine interethnischen oder interkonfessionellen Spannungen, sagt er. »Ich bin überzeugt, dass alles gut und ruhig abläuft.«
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